„Auch bestehende österreichische Freihandelsabkommen zuungunsten Osteuropas kritisieren“

Bericht über die Diskussion Demokratie vs. Freihandel in Wien am 17.1.2017

von Wilhelm Langthaler

Anlass der öffentlichen Diskussion war das von 23.-30.1. stattfindende Volksbegehren gegen CETA/TTIP/TISA. Am Podium befanden sich der Initiator Herbert Thumser, SP-Landtagsabgeordneter für Niederösterreich; Marcus Strohmeier, internationaler Sekretär des ÖGB; Iris Friedrich, Sympathisanten von G!ILT („Düringer-Initiative“); Harald Troch, SP-Nationalrat; sowie Gernot Bodner, Assistenzprofessor an der Boku und Vertreter des Personenkomitees Euroexit.

Das Video zur Veranstaltung ist hier anzusehen:

 

Herbert Thumser fasste die Motive für das Volksbegehren zusammen: Die Verhandlungen und Vertragsabschlüsse würden fern von der Öffentlichkeit und ohne Mitbestimmungsmöglichkeit durchgeführt. Es gehe dabei darum, die Interessen der multinationalen Großkonzerne mittels Deregulierung und Privatisierung durchzusetzen und zwar auf Kosten der einfachen Menschen. Gegen die Blockade der Medien und der Machtinteressen solle mit dem Volksbegehren nun ein starkes politisches Signal gesetzt werden. Danach will Thumser den Kampf fortsetzen, auch auf lokaler Ebene beispielsweise mit Initiativen der Gemeinwohlökonomie.

 

CETA, TTIP und Co seien nichts Neues, sondern nur ein weiterer Versuch gescheiterter Verträge wie beispielsweise MAI, sagte Marcus Strohmeier. Es gehe um die Verteidigung des österreichischen Sozialstaates und der staatlichen Leistungen wie des Bildungssystems oder auch der Wasserversorgung. Auch als kleines Land könne man eine wichtige Rolle bei der Abwehr solcher Verträge spielen. Die deutsche Sozialdemokratie vertrete in dieser Frage die Interessen ihrer Exportindustrie, von dort sei also keine Unterstützung zu erwarten.

 

Iris Friedrich, die sich bei G!ILT engagiert, wies auf die Entmündigung der Bevölkerung hin. Bundeskanzler Kern habe seine Kehrtwende zu CETA damit erklärt, dass Österreich sonst keine Zugeständnisse von der EU erhalten würde. Doch er habe niemanden wissen lassen, worin es in dieser Brüsseler Erpressung ginge. Die Intention des Volksbegehrens sei richtig, aber es würde abprallen, wie viele solcher Initiativen zuvor. Man müsse tiefer schürfen und den Ausgeschlossenen und Stimmlosen ihre Stimme zurückgehen.

 

Harald Troch, Vorsitzender der SP Simmering, kritisierte den „naiven Freihandelsoptimismus“. Er sei mit dem CETA-Schwenk der Partei nicht glücklich, doch dürfe man im Gegenzug mit Zugeständnissen bei der Frage der Schiedsgerichte rechnen – was von Thumser in einem Zwischenruf bezweifelt wurde. Jedenfalls habe man es nach Jahrzehnten bei vielen öffentlichen Vergaben geschafft vom Billigst- zum Bestbieterprinzip zu kommen. Mit Klauseln für lokale Wertschöpfung und aktiver Wirtschaftspolitik müsse man gegensteuern.

Zur Debatte über die EU lies Troch dann aufhorchen: Nicht nur, dass die Darstellung der EU als Antithese zum Krieg nicht stimme – er wies explizit auf die Kriege am Balkan hin. Sondern Deutschland dominierte Europa heute wirtschaftlich in eine Weise, wie es selbst 1939 nicht gelungen sei.

Abschließend wies das Mitglied des Bundesparteivorstands auf die verbreitete Doppelmoral hin, Freihandel dann zu kritisieren, wenn daraus Nachteile für Österreich erwachsen könnten, aber zu schweigen, wenn Österreich Handelspartnern vor allem in Osteuropa zum Schutz seiner Investitionen Schiedsgerichte aufzwinge, die deren nationale Gesetzgebung aushebeln.

 

Gernot Bodner von Euroexit wies darauf hin, dass Globalisierung und Freihandelsregime darauf abzielten, die soziale Konterreform der Eliten als Sachzwang des Marktes darzustellen. Doch diese seien nicht nur bewusste politische Entscheidungen, sondern man könne ihnen auch Widerstand entgegensetzen – was von vielen der Diskutanten zustimmend unterstrichen wurde. Brexit & Co, das was gegenwärtig als Populismus bekämpft würde, sei eine Form der sozialen Opposition, auch wenn manchmal in reaktionärer Überformung. Wer von CETA und TTIP spräche, dürfe nicht von der EU schweigen, die die mächtigste Freihandelsorganisation im Dienste der Eliten sei. Die einfachen Menschen forderten die Rückkehr zur nationalen Souveränität, um einen Hebel gegen Austerität und Demokratieabbau zu haben – und sie hätten recht damit, auch wenn man das in ein umfassendes Programm der Solidarität mit den Schwächeren national und international einbauen müsse.

 

Der Moderator Boris Lechthaler von der Solidarwerkstatt schloss die Veranstaltung der Plattform „Demokratie statt Freihandel“ mit einem dringenden Aufruf das Volksbegehren zu unterstützen.