WAS BRINGT DIE GLOBALISIERUNG FÜR ÖSTERREICH? Die Beschäftigungswirkung von Kapitalströmen nach Österreich und aus Österreich

Vorbemerkung: Das Folgende ist ein Detail-Ergebnis aus einer umfangreicheren Arbeit über Direkt-Investitionen aus und in Österreich

Anfang der 1970er schrieben zwei Referenten der Wiener Arbeiterkammer eine Studie über „Auslandskapital in Österreich“ (Grünwald / Lacina 1970). Die Arbeit erregte ein gewisses Aufsehen und machte die beiden bekannt. Für beide war sie der Beginn einer persönlich er­folgreichen Karriere. Grünwald wurde 1978 Vorstandsvorsitzender der ÖIAG, der Dachge­sellschaft der verstaatlichten Industrie; später Aufsichtsratsvorsitzender der ÖMV. Lacina wurde erst Kabinetts-Chef bei Kreisky, 1982 dann Staatssekretär, 1984 Verkehrsminister und schließlich ab 1986 langjähriger Finanzminister. Über ihn wäre noch Einiges zu sagen, was abeer nicht hierher gehört. Mit der Arbeit über Auslandskapital hatte er sich einen „linken“ Ruf erworben. Als Finanzminister führte er eine hart neokonservative Politik nach dem Muster eines seiner Vorgänger, des Stefan Koren, oder dem des Wolfgang Schäuble. Insbesondere schenkte er den Konzernen durch die Körperschaftssteuer-Senkung viele, viele Milliarden.

Auslands-Kapital, Direkt-Investitionen aus dem Ausland, hatte in Österreich seit je einen zweifelhaften Ruf. Hatten doch die Nazis in der Zwischenkriegszeit starke deutsche Unter­nehmungen in Österreich als Fünfte Kolonne eingesetzt. Die Austrofaschisten setzten 1934 sogar einen „Regierungskommissar zur Bekämpfung staatsfeindlicher Umtriebe in der Pri­vatwirtschaft“ ein, der ausnahmsweise nicht gegen Arbeiter gerichtet war. „Die Industriere­gion Leoben-Donawitz sowie Eisenerz zählten am 25. und 26. Juli 1934 .. zu den Haupt­gebieten der nationalsozialistischen Putschaktion. … Leitende Angestellte des größten Industriekonzerns Österreichs, der Österreichischen Alpine Montangesellschaft (ÖAMG), [spielten] eine führende Rolle. Die Ursachen dafür lagen vor allem in jenen Entwicklungen innerhalb der ÖMAG, die eng mit der Übernahme von 56 % ihrer Aktien durch die Düsseldorfer Vereinigten Stahlwerke im Jahr 1926 zusammenhingen“ (Staudinger 1984, 15; weiters Fischer 1983).

In den 1950ern kontrollierte die österreichische Regierung die Investitionen sehr strikt. „Bis Anfang 1959 waren ausländische Direktinvestitionen bewilligungspflichtig. Die Nationalbank achtete darauf, daß die Beteiligungen nach Möglichkeit unter 50% lagen Sie wurden bewil­ligt, wenn sie zur Ausweitung der Produktion oder zur Schaffung neuer Produktionszweige beitrugen“ (WIFO 1960).

Es ist also von politischer Bedeutung, dass Lacina am Beginn seiner Karriere kritisch zum Auslandskapital stand, dann aber, nach der Vranitzky’schen Wende der Sozialdemokratie zum Neoliberalismus offenbar voll und ganz auf eine kritiklos-positive Betrachtung umge­schwenkt ist. Es hat Sinn, dies hier zu erwähnen. Das Problem besteht darin, dass auch manche Linke heute den Globalismus noch immer als Internationalismus sehen.

Und es war in der Vergangenheit immer von Auslandskapital in Österreich die Rede. Die ausgehenden Ströme bzw. die Bestände von Kapital österreichischer Eigner im Ausland waren unbedeutend. Die österreichische Wirtschaft und Gesellschaft damals hinkte der westeuropäischen Entwicklung so sehr nach, dass dies fast natürlich schien.

Ein Blick auf die heutige Situation ist höchst aufschlussreich.

Nicht erst die Propagandisten der EU, alle, welche sich stets um eine Rechtfertigung für Steu­er-Geschenke an Unternehmungen bemühten, haben stets auf die Beschäftigungswirkungen des Auslandskapital in Österreich hingewiesen. Man müsse die Körperschaftssteuer senken, so der Exminister Lacina immer wieder, die Einkommenssteuer der Unternehmen somit. Denn sonst würden die nach Bratislava abwandern.

Die Beschäftigung durch Kapital aus dem Ausland in Österreich und umgekehrt wird von der ÖNB so errechnet, dass die Beschäftigung der Unternehmen mit ausländischer Beteiligung mit dem Anteil der Beteiligung gewichtet wird. Die Zahl, sowohl beim einkommenden wie auch beim ausgehenden Kapital ist somit ein synthetischer Wert. Aber er ist von hohem Interesse.

1990 ergab diese Methode eine Beschäftigungswirkung von 226.100 Arbeitsplätzen vonseiten des einkommenden Kapitals. Nicht wenig, könnte man meinen. Doch die Verflechtung hat sich intensiviert: Seit 1990 haben die Bestände des Auslandskapitals sich ver-18facht auf der einkommenden Seite; auf der ausgehenden Seite ver-51facht. Dem 18fachen Kapital steht eine Steigerung der Beschäftigtenzahl auf 251.082, also um 11 % gegenüber. (folgenden link bitte anklicken!)

 

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Und die „Aktiv“-Seite, die ausgehenden Kapitalien?

Nach derselben Methode gerechnet, waren 1989 29.500 Arbeitsplätze von österreichischem Kapital im Ausland geschaffen. 2015 waren es 801.200. Das ist eine Steigerung von 2.617 %. Das also ist der Gewinn der Kapitalfreiheit für österreichische Beschäftigte. Anders ausge­drückt: Im Jahr 1989 schuf die Differenz von einkommenden Kapital zu ausgehenden 196.600 Arbeitsplätze in Österreich. Im Jahr 2014 ließ dieselbe Differenz, die sich im Vorzeichen des Saldo mittlerweile ja umgedreht hatte, 550.100 Arbeitsplätze in Österreich verloren gehen. Sie hätten mit Kapital aus Österreich hier geschaffen werden können. Dass dies unter bestehenden Verhältnissen nicht mechanisch geschehen wäre, ist schon klar. Doch wäre das nicht einer der Gründe, die bestehenden Verhältnisse zu ändern?

Gehen wir in einzelne Branchen. Der Anteil der „headquarters“ macht die Hälfte des Aus­landskapitals in Österreich aus. Doch davon werden nicht einmal 3000 Arbeitsplätze geschaffen! Eine wirklich nennenswerte Beschäftigungswirkung ergibt sich nur im Handel. Dort lautet die Angabe 73.58 Beschäftigte. Die aber wären so oder so vorhanden. Hier hat das ausländische Kapital nur die österreichischen Unternehmungen und ihre Profite übernommen. Billa war vor und nach dem Verkauf des Jahres 1996 an den deutschen Rewe-Konzern vorhanden. 1998 hatte Billa rund 25.000 Beschäftigte, im Jahre 2016 dagegen 18.400. In diesem Fall von einer Beschäftigungswirkung durch Auslands-Investitionen zu sprechen, wäre regelrecht verblendet. Selbst im Finanz- und Versicherungswesen, welches den zweitgrößten Anteil (s.o.) am Auslandskapital ausweist, zeigt die Beschäftigungstendenz seit fast drei Jahrzehnten eher nach unten (1989: 16.035; 2014: 15.725 Beschäftigte).

Die angeblich so wichtigen Direkt-Investitionen in und aus Österreich zeigen also für die Beschäftigten eine eindeutige, und enorme, negative Bilanz. Doch der Kapitalexport, vor allem in die Ostländer, findet nicht zufällig satt. Gewinnen schon die Arbeiter und Angestellten nichts, verlieren vielmehr, so gewinnen die Exporteure umso mehr an Profiten.

Albert F. Reiterer, März 2017