Gestern habe ich mir zum ersten Mal im Leben die FP-Schlusskundgebung am Viktor-Adler-Markt angetan. Zunächst, der Platz ist klein, er schaut auch mit ein paar Hundert Leuten gesteckt voll aus, weil er de facto die Vorgängerzone sperrt, die Freitag Nachmittag im Altweibersommer extrem frequentiert ist. Darum drängen im Herzen des türkischen Wiens am Rand unzählige Kopftuchträgerinnen vorbei.
Größter Renner sind die Plüschtiere. Ich sehe eine traditionelle arabische Frau mit Fast-Vollverschleierung (vermutlich Irak, wegen Tätowierung in der Nähe der Augen), die unbedingt ein Viecherl haben will. In den Seitengassen des Marktes beobachte ich eine vermutlich serbische Familie, die die Beute einsackt – ca. zehn Plüschtiere. Auch ein paar Asiatinnen haben eine Rießenfreude.
16h Beginn, 18h spricht HC. Anfangs sehr wenige Leute, vielleicht 250. Als die Reden beginnen, ist es vorne sehr gedrängt, ich glaube aber nicht, dass die 1000 erreicht sind, selbst als Strache spricht.
Von der sozialen Mischung: Der „Bodensatz“ an Alkoholkranken ist sowieso immer dort. Der hat seinen Sitz an der Lokalzeile zur Fußgängerzone hin. Die hatten wir beim Jugoslawien-Krieg, als wir dort regelmäßig unsere Kundgebungen machten, auch als Zuhörer. 20% vielleicht stellen die extremen Verlierer und Sozialfälle. Dann gibt es schon einen konsistenten Teil von 50% Hakler und untere Schichten, der sozialdemokratische Kern der FP. Vom Alter her stark durchmischt, repräsentativ. 20% reaktionärer Mittelstand, wenig Schmisse, eine Glatze habe ich gesehen. 5% vielleicht Serben (ein befreundeter Funktionär des alten Jugoslawischen Dachverbandes, mit dem ich vor 20 Jahren demonstrierte, der seine betagte Mutter ausführte), ganz vorne eine ungarische Nationalflagge.
Gudenus macht nur auf Chauvinismus, da ist wenig Soziales dabei. Hofer gibt den Moderaten, er nochmals zum Präsidentenamt kandidieren will. Er spricht zur Dämpfung davon, dass jeder „von uns islamische Freude hat“, aber insgesamt sind sie zu viel.
Ich habe keine Vergleichswerte zu früher, aber Strache hat das Soziale im Mittelpunkt, Löhne, Mieten, Pensionen müsse man für Unsere anheben – das wird direkt gegen die Flüchtlinge gewendet, die ohne Arbeit gleich mehr einkassieren würden. Für diese Verknüpfung gibt es auch immer aus der Menge die größte Zustimmung. Dann halt das übliche gegen den Islam und insbesondere den Politischen. Aber dafür braucht man nicht zur Kundgebung zu gehen. Ich musste vorzeitig gehen. Wirklich gesessen hat die Anklage an die SP, dass sie gegen den Turbokapitalismus sprächen und sich selbst mit Turbokapitalisten einlassen würden (Silberstein-Gusenbauer-Steinmetz). Nach mehr als 30 Minuten hat er von der Erbschaftssteuer, die überall als unsozial plakatiert ist, nicht gesprochen. Soviel Gespür scheint er für das Publikum zu haben.
Ganz interessant die Betonung der Frauenrechte. Wie aus dem linken Lehrbuch, dass dies vor allem gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Anrechnung der Kinderbetreuungszeiten für die Pension, Anhebung der Mindestpension usw. heißen müsse. Um dann auf die Moslems einzuschlagen. Im krassen Widerspruch auch die schmierige Kärntner Band, die anlassige Bierzeltatmosphäre produziert.
Eine Freundin macht Interviews, wo ich bei einigen mithöre. Das Soziale und der Verrat der SP überall im Mittelpunkt. Einer sagt, dass er entweder FP oder Pilz wählen werde.
Insgesamt: die Moderation, die Hofer im Präsidentenwahlkampf und nun auch Strache für die Nationalratswahlen hingelegt hat und de facto sich als Partner und Mehrheitsbeschaffer für eine ultraliberale VP-Regierung positionierte, ist nicht durchschaubar. Am Viktor-Adler-Markt ist die FP einfach eine SP + Moslems raus. Wenn Strache den Hampelmann für Kurz machen sollten, sind die Leute weg (was bei den Bundesland-Altreaktionären nicht der Fall sein wird). Identitäre Maßnahmen gegen Muslime können vielleicht für eine gewisse Zeit als Kit dienen, aber irgendwann wird das verbraucht sein. Ein zweites Knittelfeld (FP-Spaltung unter Haider) wird möglich.
Ein gewisser Teil der Leute wäre auch für unsere sozialradikale Alternative ansprechbar, aber das geht nur, denn man eine kritische Masse erreicht hat und selbst kandidiert. „Ursprüngliche politische Akkumulation“ mit Basisarbeit ist in diesem Milieu nicht möglich.