Die FPÖ mit dem Plebeier Strache, dem (Eigendefinition) planlosen Philosophie-Studenten Kickl und dem Stabs-Unteroffizier Kunasek an der Spitze und den Großbürgern bestimmend im Hintergrund hat im Sommer einen altsozialdemokratischen Wahlkampf geführt. Sie hat sich den kleinen Leuten als ihr einziger Sprecher angedient. Nicht wenige glaubten ihr. Die FPÖ hat jedenfalls eine solide Mehrheit der Arbeiter-Stimmen bekommen. Nun ist Strache Vizekanzler und Kickl Minister unter dem Kanzler Kurz. Und nun geht es los, und die Kapital-Eliten mit ihrer ÖVP als Sprecher bekommen ziemlich Alles, was sie sich vom Christkind wünschen. Werden sie es wirklich bekommen? Das hängt auch von uns ab.
Leitl und IV-Kapsch wünschen sich Arbeitszeiten wie vor 1918? Bitte sehr: Da haben Sie den 12-Stunden-Tag! Sie möchten den Abbau staatlicher Leistungen – für die Arbeitenden natürlich, nicht für die Unternehmen? Voilà: Wir versprechen eine „Reduktion der Abgabenquote auf 40 %“, also eine Leistungskürzung von nahe 12 Mrd. €, denn 3 % des BIP 2018 werden etwa diesen Betrag ausmachen. Aber dabei bleibt es nicht. Denn NATO und EU wünschen sich auch was, nämlich um 1 Punkt des BIP mehr Militär-Ausgaben, macht wieder 3,8 Mrd. €. Dass dies nicht auf einen Schlag durchgesetzt werden kann, ändert nichts an den Zahlen. Dem Hund soll der Schwanz eben scheibchenweise abgeschnitten werden – „damit es nicht so weh tut“. Was wirklich geschehen soll, wissen wir nur der Richtung nach. Denn bis vor einer Stunde waren noch nicht einmal die Überschriften wirklich bekannt. Die 180 Seiten der (angeblichen) Vereinbarung werden wir uns erst ansehen müssen, obwohl es fragwürdig ist, ob sich dies überhaupt lohnt. Denn die Richtung ist klar genug. Die Einzelheiten wirken aber auf dem ersten Blick wie ein Erzeugnis eines Propaganda-Ministeriums.
Es wieder eine Steuer-Reform. Wir wissen inzwischen: „Reform“ heißt heute das Zurückfahren von Leistungen für die Unten und neue Geschenke für die Oben. Doch die Damen und Herren der neuen Regierung rechnen, sogar mit einem gewissen Recht: Die paar Brosamen, die wir den Unterschichten damit zukommen lassen, werden diese beruhigen. Und die bereits von SP und Grünen seinerzeit durchgesetzten Begünstigungen der Besserverdienenden bei der Familien-Beihilfe (einkommensabhängiges Kindergeld) wird weiter ausgebaut: Der geplante steuerliche Absetzbetrag für Kinder ist eine reine Umverteilung nach oben.
Die Studiengebühren werden erhöht – und die „progressive“ neue Vorsitzende der Uni-Konferenz Eva Blimlinger weiß nicht recht, was sie sagen soll. Dagegen darf und kann sie nicht mehr sein als Sprecherin der konservativen Rektoren – zu denen sie ja nun selbst gehört.
Dafür dürfen sich die Wirte in Hinkunft freuen. Und die Wiener und Burgenländer SPÖ – der unsägliche Doskozil – steigen auf dieses Ablenkungs-Manöver voller Begeisterung ein und fahren eine Kampagne gegen die Raucher-Zimmerl in den Cafés. So brauchen sie wenigstens nichts über sinkende Pensionen, von der EU vernichtete Arbeitsplätze, steigende Ungleichheit usw. zu sagen. „Wir sind keine Null-Defizit-Fetischisten“ meint Strache. Aber die ebenso blinden wie altmodischen Keynesianer glauben noch immer, dass sie statt mit Neuverteilung mit Defiziten ihr System retten und die Wirtschaft lenken können. Wer die Defizite schließlich bezahlt, fragen sie nicht. Dass die Defizite überhaupt nur wegen der Konzentration der Einkommen notwendig werden, kümmert sie nicht.
Und über die Einführung von Hausmeistern oder eben diese Raucher-Zimmerl werden wir in Hinkunft wahrscheinlich abstimmen dürfen – aber doch nicht etwa über CETA und die EU allgemein, da seien Kurz, Strache, Van der Bellen, Fischer, Kern und Kneissl vor!
Erinnern wir uns! Die erste ÖVP-FPÖ-Regierung, die ohne die Hilfe der EU-Sanktionen niemals 7 Jahre gehalten hätte, hatte ein einfaches Prinzip: Die ÖVP wünschte, und die FPÖ spielte, indem sie die Mehrheit beschaffte. Die Haider-FPÖ, hat außer verstärkter Korruption im politischen System damals inhaltlich buchstäblich nichts beigetragen.
Nun hat Strache dekretiert: „Das Tanzbären-Kostüm werden wir uns nicht anziehen!“ Um dies glaubhaft zu machen, hat er sich auf solche weltbewegende Themen wie die Raucher-Frage konzentriert und bietet Minister-Kandidaten an, die das ÖVP-Programm durchziehen werden. Und bisher funktioniert die Show. Denn die Medien spielen zu 150 % mit. Sie machen der Bevölkerung vor: Die FPÖ setzt sich gegen die Kurz-ÖVP durch. Wir müssen zugeben: Die Inszenierung ist nicht ungeschickt.
Für uns werden die kommenden Jahre entscheidend werden. Wie lange wird die entpolitisierte Bevölkerung dieses Theater mitmachen? Es ist somit die vitale Frage, ob linke Politik irgendeine Chance hat. Der Standard hat am Montag (11. Dez. 2017) eine aussagekräftige Graphik veröffentlicht: „Persönliche Erwartungen an die neue Regierung“. Dort sehen wir: In buchstäblich allen der 21 abgefragten Bereiche außer der sogenannten „Sicherheit“ erwartet sich eine meist deutliche Mehrheit Verschlechterungen ihrer Situation: die „zukünftigen Pensionisten“ 46 : 7; die „Steuerzahler“ 42 : 13, „in Krankheitsfällen“ 34 : 6; am Arbeitsplatz 24 : 8; usf. Nur bei der persönlichen Sicherheit (10 : 15) und ausgerechnet bei sexuellen Übergriffen (15 : 20) glaubt eine knappe Mehrheit an eine Besserung. Aber: In all diesen Bereichen setzt eine starke Mehrheit auf Abwarten („bleibt gleich“ – „als Konsument“ 64 % z. B.).
Dass diese Regierung in Kürze weggefegt wird, ist somit nicht zu erwarten. Und wir haben in den letzten Jahren gelernt, was das bedeutet: völlige Resignation.
Die heimliche Mitregierungs-Partei der Neos wird dem Großteil dieses Programms zustimmen und die bei einigen Punkten notwendige Mehrheit für Verfassungs-Änderungen liefern. Die SPÖ ist aber mit sich selbst beschäftigt, wie so oft. Die Kampagne der schmierigsten aller österreichischen Zeitungen gegen Kern, weil er sie nicht mehr bestechen wollte, darf uns nicht darüber hinweg sehen lassen: Kern ist politisch weitgehend tot. Der komplette Mangel an jeder Authentizität hat ihn zum Absturz gebracht. Von ihm kann sich niemand irgendwas erwarten. Die Katastrophe ist nur: Was kommt nach ihm?
Es gibt nur einen Weg, diese vollständige Zerstörung des Landes und seiner Bevölkerung zu verhindern: Wir müssen eine schlagkräftige Opposition aufbauen.
Albert F.Reiterer