Grußwort oder Gedanken zu dem Treffen des Anti-EU-Forum in Paris

Von Inge Höger, 20.01.2016

 

Die erstmalige Anrufung des EU-Bündnisfalls durch Frankreich für den Kriegseinsatz in Syrien, die harten Auflagen der EU gegenüber Griechenland und die Abschottung gegen Flüchtlinge bestätigen, dass die EU militaristisch, neoliberal und undemokratisch ist. Die deutsche Regierung ist ganz vorne mit dabei, wenn es um Kriegseinsätze zur Durchsetzung geostrategischer Interessen, die Knebelung ganzer Länder wie Griechenland und die Abschottung der EU für Flüchtlinge durch Deals mit der Türkei geht.

 

Gestern noch wurde Bundeskanzlerin Merkel wegen der Unterwerfung der Syriza-Regierung in Griechenland als die Zuchtmeisterin Europas bezeichnet, inzwischen versucht sie sich als Menschenfreundin und Flüchtlingshelferin darzustellen. Dabei wurde ganz nebenbei das Asylrecht in Deutschland massiv beschnitten und die Abschottung der EU-Außengrenzen verstärkt. Trotzdem kommen Flüchtlinge aufgrund der EU-Freihandels- und Kriegspolitik weiterhin in Scharen nach Europa und viele versuchen Deutschland zu erreichen. In der Frage der Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen gelingt es der deutschen Regierung nicht, sich in der EU durchzusetzen. In vielen EU-Ländern profitieren rechtspopulistische und faschistische Parteien und Bewegungen von der Krise der EU.

 

Gleichzeitig schreitet der Ausverkauf Griechenlands voran: die deutsche Fraport übernahm alle lukrativen Flughäfen, ein chinesische Konzern weitere Anteile des Hafens von Piräus. Die Streiks und Demonstrationen gegen Rentenkürzungen und Steuererhöhungen gehen weiter.

 

Die Linke in Europa muss diese Entwicklungen analysieren und gleichzeitig die Krise zum Anlass nehmen, antikapitalistische Perspektiven zur Überwindung der EU zu entwickeln. Wie die deutsche und die europäische Linke sich zur EU positionieren, ist eine entscheidende Frage unserer Zeit. Ein JA zu einem sozialen Europa und ein JA zum Internationalismus erfordern ein klares NEIN zur EU in ihrer gesamten neoliberalen Konzeption. Zu diesem Bruch mit der EU gehört auch die Debatte über Währungssouveränität und einen Austritt aus dem Euro-Regime. Dies sollte aber nie als Allheilmittel, sondern als Teil eines sozialistischen Programms gesehen werden. Es geht darum, die politische und Währungssouveränität wieder in die Hände der Mehrheit der jeweiligen Bevölkerung zu legen und mit Maßnahmen zu verbinden, die darauf zielen, den Kapitalismus zu überwinden.

 

Ausgehend von den Erfahrungen und Lehren der Kapitulation von Syriza, der Ausrufung des EU-Bündnisfalles nach den Anschlägen in Paris, der Abschottungspolitik der EU gegen Flüchtlinge gibt es inzwischen in der deutschen und der europäischen Linken eine Diskussion über den Charakter der EU und einen Plan B oder andere Alternativen. Diese Diskussionen spiegeln sich nicht nur in der Plan-B-Konferenz in Paris, sondern in vielfältigen Diskussionsforen. Andererseits versuchen Varoufakis oder Gysi diese Diskussion wieder in Richtung Rettung der EU als angebliches Friedensprojekt zu lenken mit einem Plan C, der aber eigentlich der alte Plan A ist. Umso dringender ist es, dass die Linke in Europa Alternativen zu dem neoliberalen, undemokratischen und militaristischen Projekt der EU und des Euro entwickelt und sich dabei nicht in die nationalistische Ecke drängen lässt. Wir brauchen ein Projekt für die Souveränität der Völker, für Frieden und soziale Gerechtigkeit gegen die Herrschaft des Imperialismus, ein Projekt zur Überwindung des Kapitalismus.

 

In diesem Sinne sollten wir die Planungen für ein internationales Diskussionsforum im Frühjahr fortsetzen, um eine Alternative für das EU- und Euro-Regime zu entwickeln. Der Austausch und die Entwicklung von Alternativen sind dringend notwendig. Ich hoffe, ihr bzw. wir kommen in Paris Schritte voran.

 

Ich wünsche euch interessante Diskussionen und viel Erfolg.

 

Inge Höger