Statt Frieden habe die Europäische Union Krieg geschaffen, zudem den Sozialabbau ausgeweitet.
Gespräch mit Wilhelm Langthaler geführt von Markus Bernhardt
Aus: Junge Welt, Ausgabe vom 20.06.2016, Seite 8 / Inland
Wilhelm Langthaler ist Autor des Buches »Europa zerbricht am Euro. Unter deutscher Vorherrschaft in die Krise«
Am 2. Juli stellen Sie auf dem UZ-Pressefest, organisiert von der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), in Dortmund Ihr neues Buch »Europa zerbricht am Euro« vor. Darin kommen Sie zu dem Schluss, dass Deutschland andere EU-Staaten an die Wand drücke und der Euro das Instrument dafür sei. Wie kommen Sie darauf?
Experten sagen, dass ohne Euro die D- Mark rund ein Drittel teurer wäre – die Wirkung auf die deutschen Exporte wäre verheerend. Entsprechend überbewertet ist der Euro für den Süden. Der Süden kommt mit der deutschen Produktivitätsentwicklung, die noch dazu mit Lohndumping kombiniert ist, nicht mit. Selbst heftigste Lohnsenkungen, Sozialabbau und ständige Austeritätspolitik können ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht wiederherstellen. So wird nicht nur Griechenland in die soziale Katastrophe geführt. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes ging drastisch zurück. Am Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament habe ich eine Schmiererei gesehen, wo der Euro mit dem Hakenkreuz verbunden wird. Die Menschen dort denken sich, dass Deutschland sie statt mit Panzern nun mit seinen Banken unterwerfe.
Sollte die Bundesrepublik also die D-Mark wiedereinführen?
Ich stimme da mit Oskar Lafontaine überein. Das einzige, was die Spaltung Europas verhindern könnte, wäre die einvernehmliche und organisierte Auflösung der gemeinsamen Währung und die Fixierung von Wechselkursen wie im alten Europäischen Währungssystem. Doch für Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wäre das ein Eingeständnis ihres historischen Scheiterns. Darum muss man damit rechnen, dass sie ihren unverantwortlichen Kurs in die Katastrophe fortführen. Da bleibt nichts anderes, als an der Peripherie die Regierungen der Euro-Oligarchie von der Macht zu verdrängen. Man braucht den Mut, den Bruch zu wagen. Es geht nicht allein darum, wieder zu eigenen nationalen Währungen zurückzukehren. Es geht um viel mehr: ein Ende des Neoliberalismus, eine Wirtschaftspolitik für die Mehrheit sowie die Rückgewinnung der Demokratie.
Auch in der DKP war lange umstritten, wie man mit der Europäischen Union umgehen soll. Auf dem vergangenen Parteitag beschlossen die Kommunisten dann mehrheitlich einen Leitantrag, in dem formuliert ist: »Wir kämpfen für die Überwindung der EU und für den Austritt der BRD aus der EU.« Warum sollte das der richtige Weg sein?
Es liegt auf der Hand, dass im Rahmen von Euro und EU keine Wende im Interesse der Mehrheit möglich ist. Das verstehen immer mehr Menschen. Die Linke muss sich von ihrer Traumwelt der sozialen EU trennen. Sonst kommen die rechten Rattenfänger zum Zug. In Frankreich und in meiner Heimat Österreich ist das bereits der Fall. So stimmen viele, die früher links wählten, jetzt für die Anti-Euro-Rechte.
Sie sprechen dem Austritt aus der Europäischen Union das Wort. Das lässt sich leicht verlangen, aber realistisch ist es nicht.
In Großbritannien wird an diesem Donnerstag über den EU-Austritt abgestimmt. In allen Mitgliedsländern geht die Zustimmung zur EU rapide zurück. Es ist absehbar, dass der Widerstand gegen das Euro-Regime in einem der Länder des Südens den Austritt aus der Währung erzwingen wird. Die darauffolgenden politischen Zusammenstöße können die Kräfteverhältnisse sehr schnell umkrempeln. Es ist unrealistisch, dass Euro und EU überleben.
Können Sie der EU nichts Gutes abgewinnen?
Die EU hat Frieden, Demokratie und soziale Konvergenz versprochen. Sie unterstützt aber in der Ukraine Krieg, hat Südeuropa unter Kuratel gestellt und die sozialen Unterschiede extrem gesteigert. Viele Linke meinen, sie sei ein Schutz vor dem alten Nationalismus. In Wirklichkeit ist sie ihr Brutkasten. Das Euro-Regime droht selbst den deutsch-französischen Ausgleich zu zerstören.