VON MÉLENCHON ÜBER LAFONTAINE ZU VAROUFAKIS?

Wenn die politische Realität den Plan B zum Plan A macht

Ein mittlerweile verstorbener Freund, in seiner Jugend kurzfristig Maoist, dann SPÖ-Mitglied, dann wegen derer politischen Korruption aus der Partei ausgetreten, glaubte mich Mitte der 1990 folgend für die EG / EU motivieren zu können: „Haben wir denn nicht immer den Internationalismus gewollt?“ Viel später meinte ein Trotzkist und inzwischen Aktivist der LINKEN aus Bayern: „Auch Trotzki hat bereits die Vereinigten Staaten von Europa angestrebt.“

An die beiden mit ihrer Gleichsetzung des proletarischen Internationalismus mit dem Inter­nationalismus der Finanz-Oligarchie erinnern mich stets Politiker der reformistischen Linken. Ein Plan B für Europa heißt der neueste Vorschlag von Jean-Luc Mélenchon. Unterschrie­ben ist er auch von Oskar Lafontaine, Stefano Fassina, Zoe Kontantopoulou – und Yannis Varoufakis. Und was ist dieser Plan B? Sie erklären ausdrücklich: Er ist nur ein Ersatz für ihren bevorzugten Plan A. Der aber sei eine vollständige Neuverhandlung der europäischen Verträge. Also: Die EU ist prinzipiell das Ziel und soweit OK. Sie ist nur fehlerhaft gestaltet.

Ein erster Schritt ist besser als gar keiner. Der Unverantwortlichkeit der Euro-Gruppe ebenso wie der „Unabhängigkeit“ der EZB und dem Märchen von ihrem apolitischen Charakter ein Ende setzen; wer von der Linken wollte dies nicht? Dazu muss es also einen Plan B geben. Deutlicher: Es geht wieder um die Verbesserung der EU, und der Plan B soll ein Drohpoten­zial aufbauen. Das Mittel dazu sei „ziviler Ungehorsam“. Der altrömische Spruch kommt einem auf die Lippen: „Es fällt schwer, nicht sarkastisch zu werden.“ Die Euro-Gruppe wendet sich ausschließlich an Regierungen und die EZB ausschließlich an Banken und Spekulanten. Und dagegen soll „ziviler Ungehorsam“ helfen? Was heißt dies konkret?

Wir finden in diesem Text die alten Illusionen: „ein Europa für die Europäer“, der gegen­seitigen Hilfe, Unterstützung und der Demokratie; „eine Währung für den gemeinsamen Wohlstand“, die „Transformation des Euro in eine Gemeinschaftswährung“ (?); usf. Der Euro sei zum Instrument der Eliten geworden; er sei im Rahmen der Juncker’schen Vorstellung von einer beschränkten Souveränität nach Art der seinerzeitigen Breschniew-Doktrin zu einem eisernen Käfig geworden. Als ob dies Alles nicht das ausgesprochene Ziel bei der Konstruk­tion von EU und Währungsunion gewesen wäre! Diese explizite Absicht wird wieder als Abirrung dargestellt, der man das bessere Europa von früher gegenüberstellen muss. Warum lesen die Unterzeichner nicht die Dokumente? Waren es doch teils ihre eigenen Beamten und Experten, die dies Alles entworfen haben. Und nicht zuletzt auch: Renzi und Hollande, so lesen wir, benehmen sich wie Muster-Häftlinge in diesem Käfig, die auf Hafterleichterung und Begnadigung setzten. Das ist denn doch zuviel vorausgesetzt bei den beiden, gibt ihnen einen zu großen Vorschuss an Glaubwürdigkeit: Sie stehen für das selbe Programm wie die Euro-Gruppe ein, nur heucheln sie Dissens, weil die Bevölkerung unzufrieden ist.

Das Memorandum vom 13. Juli war ein Staatsstreich. Ganz und gar einverstanden. Aber wer hat ihn in Griechenland durchgeführt? Meines Wissens stehen die deutschen Divisionen noch nicht dort im Süden. Das „offizielle Europa“ (?) kann es nicht ertragen, dass fast ein ganzes Volk NEIN sein: Völlig richtig. Aber wer hat dieses NEIN in ein Ja zum Memorandum verwandelt und dabei eine Koalition mit den Erzkonservativen, den Rechtssozialdemokraten und den Liberalen geschlossen, gegen die eigene Linke?

Sehen wir doch die Unterzeichner an! Varoufakis gehört noch immer zur Memorandumspartei SYRIZA. Warum hat er sich Ende August nicht LAE angeschlossen, wenn er gegen das neue Memorandum ist? Nicht, dass dies für LAE ein so großer Verlust ist. Angeblich waren nicht wenige dort erleichtert über sein Fernbleiben; denn er wird in seinem politischen Zick-Zack als ein Risiko betrachtet. Aber es geht um die Haltung.

Mélenchon trifft Lafanzanis und unterschreibt kühne Texte mit Varoufakis. Er wird sich ent­scheiden müssen. Wen unterstützt er nun eigentlich: das Memorandum oder die Opposition? SYRIZA oder LAE? Jene, welche sich gegen den Kurs von Schäuble, Dijsselbloem und Juncker stellen, oder jene, welche mit den gewohnt schmutzigen Tricks herkömmlicher griechischer Politik die Linke im eigenen Land bekämpfen? – Parallelwährungen, Euroexit? Hat er vergessen, dass es Varoufakis war, welcher Ende Juni offen signalisierte: Wir haben keine Wahl, wir müssen den Euro behalten? Und als sich LAE konstituierte, hat er gesagt (laut Spiegel): „Ich halte es für besser, im Euro zu bleiben. … Ich bin ganz sicher nicht dafür, … zur Drachme zurückzukehren.“ Die Lederjacke allein tut es wohl nicht.

Die Unterzeichner wollen einen internationalen Kongress bereits für den November einbe­rufen, um dort ihre Version des Plan B zu diskutieren. Man wird sich dies ansehen müssen – falls sie überhaupt interessiert sind, die konsequente Linke einzubeziehen. Uns bleibt gar nichts Anderes übrig, als unser Interesse zu zeigen und die Debatte aufzunehmen, wenn wir nicht in das Sektierertum abgleiten wollen. Aber man wird uns zugestehen: Mit Personen wie Varoufakis ist Skepsis, ja Misstrauen an der Initiative angebracht.

  1. September 2015