von Willi Langthaler
Ein unmittelbarer Eindruck am Abend nach der Veranstaltung vom 24.-25. Januar 2016
Die Sache war ein wichtiges Ereignis und meine Bilanz ist gespalten, denn die ganze Initiative führt einen unheimlichen Widerspruch in sich, der auch Ausdruck einer Situation des Übergangs ist, wo das neue noch nicht ganz auf eigenen Füßen zu stehen vermag.
Die Konferenz hat im Pariser Regierungsviertel stattgefunden, was sicher kein Zufall war – denn es richtete sich stark an die politische Klasse und den Medienapparat. Der Raum war viel zu klein und viele Leute mussten den ersten Redner Oskar Lafontaine in anderen Räumen folgen.
Lafontaine hat einen fulminanten Anfang gemacht. Eine politisch kohärente Linie: durchdacht, logisch und klar. Auflösung des Euro, zurück zum alten Währungssystem. Währungspolitik im Dienste der Bevölkerung: staatliche Verschuldung für staatliche Investitionsprogramme um Vollbeschäftigung zu schaffen. Gegen die westlichen Kriege, die die Wanderungsbewegungen schaffen.
In einer Diskussion hat Lapavitsas nachgelegt, und nicht nur er, sondern auch andere. Nationale Währungen, Verstaatlichung des Finanzsystems, Kapitalsverkehrskontrollen. Demokratisierung durch Reappropriierung des Staates als Instrument der Volkssouveränität. Bruch mit der postnationalen Idee und der Globalisierung im Kopf. Ich hatte auch den Eindruck, dass viele Teilnehmer das unterstützten. Ich hörte auch von einem anderen Runden Tisch, dass es so ähnlich gewesen wäre.
In der anschließenden kurzen Diskussion wies ich auf den Widerspruch zwischen diesem klaren Plan B und dem öffentlichen Erscheinen der Initiative hin, wo die Frage des Bruchs umschifft wird. Ich bin dafür eingetreten ein weiteres Treffen auf der expliziten Basis der Beendigung des Euro-Regimes durchzuführen.
Nach der Veranstaltung habe ich Lafontaine kurz angesprochen und auf die Diskrepanz zur Position seiner Partei hingewiesen. Er antwortete: er könne nicht mehr tun, als sich solchen Initiativen zur Verfügung zu stellen. Den Rest müssten die Leute in der Partei machen – wohl wissend, dass diese praktisch nicht möglich ist. Das kam mir vor wie ein Kampf gegen Windmühlen.
Danach sprach ich kurz mit Lapavitsas und fragte, wie denn das mit der verwirrten Botschaft Varoufakis’ zusammenginge. Man müsse da klarer werden, denn er selbst habe gesagt, dass sonst diesen Platz die Rechte einnehmen werde. Er meinte nur, das sei ein langer Prozess…
Dann sprach Zoi Konstantopoulou – 1,5h. Hat nur die griechische Geschichte erzählt, keinerlei Politik.
Am Sonntag eröffnete Fassina. Er sagte zu Moreno Pasquinelli von der italienischen linken Koordination gegen den Euro schon im Vorfeld, dass er enttäuscht sein werde. Fassina sprach klar, kurz und ohne Schnörkel. Es brauche einen Plan A, praktisch eine Aufwärmung des gescheiterten sozialen Europa. Er sagte selber, dass dieser nicht realistisch sei, aber politisch notwendig. Den Plan B müsse man in der Hinterhand behalten. Er schätzte die Situation pessimistisch ein und setzte seine Hoffung auf eine Rückwendung der Sozialdemokratie zu den Interessen der unteren Schichten. Jeremy Corbyn gab er als Beispiel. Das ganze ist ein ganz klarer Rechtsschwenk zum Herbst.
Ich interpretiere das als Einfluss der spanischen Ereignisse. Nach der Vergewaltigung Griechenlands war das soziale Europa mausetot. Podemos hat diese Illusion wieder zum Leben erweckt.
Die Abschlussrede von Mélenchon war schrecklich. Es ist eine Schande, dass man zum Plan B fährt und dann als Statist für die Wahlrede eines Demagogen und Populisten missbraucht wird, der sich in Selbstgefälligkeit und leerem Pathos kaum von dem Rest der französischen politischen Klasse unterscheidet.
Einzige politische Aussage zum Thema: Neuverhandlung der EU-Verträge. Sonst billiges Geschimpfe auf den Kapitalismus, die Finanzmärkte, die Banken, Draghi, Merkel, Brüssel, das EU-Parlament bla bla bla. Er lies nicht aus Köln zu verdammen, aber „gegen alle Kriminelle“. Er attackierte Erdogan und machte Anspielungen, dass der moderate Islamist vielleicht doch ein islamischer Faschist sei. Zum französischen Ausnahmezustand kein Wort — klar, den hat er unterstützt und hat meines Wissens auch nichts gegen dessen Verlängerung einzuwenden – vielleicht seine Form der Rückgewinnung der Souveränität? Zum Schluss rief er die spanischen Mandatare von IU und Podemos auf die Bühne, alle blutjung, und überreichte ihnen eine rote Rose als väterlicher Freund – mit der Quasi-Prätention intellektueller Architekt ihres Erfolges zu sein. Die alte „mission civilicatrice“ quillt aus allen Poren.
Nun müssten die Franzosen nur richtig wählen, um das gleiche wie in Spanien und Portugal zu ermöglichen. Denn der Wahlerfolg würde die Koalition mit der PSOE erst möglich machen. Er zielt auf eine Koalition mit der PS hin (unausgesprochen als Juniorpartner und damit als Mehrheitsbeschaffer) und kritisierte die SPD, dass sie nicht Rot-Rot-Grün machen würde. Eine völlige Verkennung des herrschenden Regimes. Oder aber eher: er ist selbst Teil dieses Regimes.
Anfangs dachte ich, dass es eine Spaltung zwischen Paris und Varoufakis gäbe. Doch die bezogen sich alle auf seine Madrider Aktion. Ich vermute, dass er diese unilateral angesetzt hat, dass es tatsächlich eine Differenz gibt, aber dass sie keinen Bruch haben wollen und daher das hinnehmen und nachbeten.
Scheinbar ist ihr vager Plan: Madrid, Berlin, Rom etc. Andreas Nölke, einer der deutschen Redner und expliziter Gegner des Euro, sagte mir, dass er nicht die leiseste Ahnung hätte, wer das in Berlin organisieren solle.
Abschluss: unser Ziel muss es sein in diesem Milieu eine Klärung voranzutreiben und eine klare Plattform des Bruchs mit dem Euro-Regime zu etablieren. Jedenfalls ist ein wichtiger Anfang gemacht, trotz aller Halbheiten und Rückzieger (Varoufakis). Gleichzeitig dürfen wir uns nicht abhalten lassen, nicht warten wie das einige des linken Flügels von Plan B scheinbar machen und mit der Anti-Euro-Regime-Position weitergehen, wie das geplante Forum in Italien vom 23.-25. September.