Britische Gewerkschafter gegen die EU

Austritt von links „für unsere Rechte“

Folgendes Interview erschien in „il manifesto“ vom 22.Juni 2016:

Nicht die gesamte Labour-Linke hält sich die Nase zu und stimmt für Remain <d.h. den Verbleib Großbritanniens in der EU>. Es gibt Komitees, die sich die Idee eines Austritts aus Europa zu eigen gemacht haben und sich auf die klassischste sozialistische Tradition des Euoskeptizismus eines Michael Foot, eines Tony Benn und des vor einigen Jahren viel zu früh verstorbenen Eisenbahngewerkschafters Bob Crowe beziehen. Außer dem Left Leave, den auf Initiative der Socialist Workers Party (SWP) von Alex Callinicos entstandenen Komitees, gibt es die Kampagne der Trade Unionists against the EU (TUAEU). Wir fragten ihren Leiter Enrico Tortolano, dessen Großvater väterlicherseits aus Sorrento stammt, nach einem überzeugenden Argument für einen Austritt aus der EU von links.

 

Befürchten Sie nicht, dass ein Ausscheiden aus der EU zu einem Um-Sich-Greifen von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nationalistischer Prägung führt?

 

„Dies ist ein Referendum über die Wiederaneignung der Demokratie. Jahrhundertelang hatte das britische Volk das Recht, seine Vertreter zu wählen und sie auszuwechseln, wenn sie seinen Ansprüchen nicht gerecht wurden. Diese Regel findet in der EU, einer nicht gewählten Versammlung, keine Anwendung. Jean-Claude Juncker bekam seinen Posten <als Chef der EU-Kommission> als Belohnung dafür, dass er Luxemburg zu einem Steuerparadies für die Superreichen gemacht hat.

 

Die EU ist ein Business-Club und sie ist auch rassistisch. Für die weiße europäische Bevölkerung besteht eine begrenzte Reise- und Niederlassungsfreiheit. Es gibt finstere / krumme Abkommen zwischen der EU, der griechischen Regierung und der Türkei auf dem Rücken von Migranten, die Opfer von Misshandlungen, Gewalt und Verletzung der Menschenrechte geworden sind. Ich weise die Kritik zurück, laut der jene, die eine solche imperialistische Organisation verlassen wollen, Rassisten seien.

 

Es geht darum die Rechte der Werktätigen zu verteidigen, während das, was die EU tut, der Abbau der gewerkschaftlichen Tarifverhandlungsmodalitäten und die Beseitigung der Errungenschaften aller europäischen Arbeiter ist. Wie üblich: 1% bereichert sich und 99% dürfen sich um die Reste streiten.“

 

Aber handelt es sich nicht um eine Art von linkem Nationalismus, um die kurzsichtige korporative Interessenvertretung?

 

„Absolut nicht. Eine Sache muss klar sein: Wenn wir uns am 23.Juni von der EU trennen, können wir ein echtes Solidaritätsnetzwerk für die Werktätigen ganz Europas schaffen.“

 

Sind Sie der Meinung, dass die Rechte, die die Arbeitnehmer hier im United Kingdom erlangt haben, besser sind als die innerhalb der EU erreichten?

 

„Ohne Frage. Ich bestreite nicht, dass es zwei oder drei von der EU erlassene Gesetze gibt, die von den britischen Werktätigen begrüßt wurden. Das Problem besteht darin, dass es wenige sind. Andere aber, wie der Equal Pay (die gleiche Entlohnung von Frauen und Männern von 1970, die durch die Kämpfe der Arbeiterinnen im Ford-Werk von Dagenham erreicht wurde; Anm.d.Red.), wurden vom britischen Parlament ratifiziert. Dasselbe gilt für die jüngsten Festlegungen des Minimum und Living Wage (Mindestlohn; Anm.d.Red.). Im United Kingdom wurde das Recht auf bezahlten Urlaub im Unterhaus durch einen Gesetzesakt von 1938 beschlossen und dann im Factory Act von 1948 ratifiziert.“

 

Ihr behauptet, dass die Reform der EU von innen, die von der Linken, die für das Remain <den Verbleib> eintritt, unmöglich ist. Warum?

 

„Der Lissaboner Vertrag ist der einzige auf der Welt, der eine neoliberale und marktorientierte Wirtschaftspolitik in der eigenen Verfassung festschreibt. Die EU hat den Growth and Stability Pack, um die Haushaltsdefizite zu regulieren. Wer mitmacht, ist gezwungen, sich dem anzupassen. Um irgendeinen Artikel zu ändern, ist es notwendig, dass alle 28 Länder gleichzeitig dafür sind und die jüngsten Spannungen zwischen Deutschland und Griechenland sind ein deutliches Beispiel dafür.“

 

Leonardo Clausi

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: Gewerkschaftsforum Hannover

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