Die spanische und italienische Delegation am internationalen Forum NoEuro von Chianciano
Italien und Spanien stellen aktuell zwei schwache Kettenglieder im krisengeschüttelten Europa dar:
- Italien, viertgrößten Volkswirtschaft der EU, ist nach mehr als einem Jahrzehnt des wirtschaftlichen Niedergangs durch eine akute Bankenkrise bedroht, während der Regierung Renzi eine schwere politische Niederlage im Verfassungsreferendum droht. Ein Krisen-Mix, der die oppositionelle und Euro-kritische Fünfsternebewegung an die Spitze des Landes hieven könnte.
- Spanien brüstet sich zwar mit der höchsten BIP-Wachstumsrate der EU, schafft jedoch den von Brüssel aufgezwungenen Budgetsanierungspfad dennoch nicht, trotz anhaltender Austerität. Mit einer Arbeitslosigkeit, die immer noch bei 20 % liegt, hat sich vor diesem Hintergrund mit der Oppositionspartei Podemos ein dritter Pol in der Gesellschaft neben den Sozialdemokraten der PSOE und den Konservativen der PP etabliert. Auch nach den Neuwahlen im Juni macht diese neue politische Konstellation eine Regierungsbildung extrem schwer. Mit den bestehenden Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien und dem Baskenland – letzteres wird im Oktober wählen – ist kein Ende der politischen Instabilität in Sicht.
Die Delegationen aus Italien und Spanien repräsentieren die Breite der oppositionellen Stimmen und Strömungen, die sich aus diesen politisch-ökonomischen Krisen-Konstellationen im Süden Europas gebildet hat.
Italien
In Italien ist die Fünfsternebewegung (M5S) der politische Kristallisationspunkt, ein widersprüchliches und heterogenes Sammelbecken der Unzufriedenen mit der politischen „Kaste“ und dem wirtschaftlichen Niedergang. Mit dem Europaparlamentsabgeordneten Marco Zanni ist die M5S auf dem Forum mit einer linken und klar eurokritischen Stimme vertreten. Aber auch in den traditionellen Linksparteien, die das Thema EU/Euro lange mit dem Argument der Priorität der „sozialen Frage“ abtaten, fordern einige prominente Figuren endlich die Zentralität der europäischen Frage ein, um die Entwicklungen im Land zu begreifen und eine oppositionelle Politik zu formulieren. Etwa Giorgio Cremaschi, ex-Präsident der linken Metallergewerkschaft FIOM, und heute Initiator der Plattform Eurostop. Selbst aus Renzis PD sind einige Persönlichkeiten in Richtung einer neuen eurokritischen Linken abgesprungen, so etwa Alfredo D’Attore, Abgeordneter der „Italienischen Linken“ (Sinistra Italiana), der am Forum von Chianciano sprechen wird. Kennzeichnend für Italien ist aber auch die Vielzahl – zumeist aus der Linken kommender – Intellektueller in und außerhalb der Universitäten, die nicht oder nur lose mit einer politischen Partei/Bewegung assoziierten sind, aber dennoch in der Gesellschaft wahrnehmbare Stimmen gegen das Euro-Regime und seine politischen Stützen in Italien darstellen. Zahlreiche Ökonomen und Sozialwissenschaftler aus diesem Milieu werden am Forum inhaltliche Beiträge bringen. Eine zentrale Rolle in Italiens Anti-EU/Euro Bewegung und wesentlicher Organisator des Forums von Chianciano kommt der Bewegung „Programm 101“ zu: sie entstand jüngst aus der „Linken gegen den Euro“ und stellt einen Vorposten einer, wenn auch erst im Entstehen begriffenen, Sammelbewegung für einen (linken) Austritt aus dem Euro und der EU dar.
Spanien
Seit Podemos in Spanien die politische Bühne betreten hat, ist das Land von einem bipolaren (PSOE, PP) zu einem tripolaren System geworden. Das hat das traditionelle Regime der Eliten entscheidend destabilisiert, wie die aktuellen Schwierigkeiten der Regierungsbildung zeigen, wo selbst ein dritter Wahlgang nicht ganz auszuschließen ist (wenn auch eher unwahrscheinlich).
Bereits 1986 versuchte Izquierda Unida (IU), mit der Spanischen KP im Zentrum, einen dritten Pol links der PSOE zu etablieren. Was Podemos (zuletzt im Wahlbündnis mit IU) heute gelungen ist, blieb der IU jedoch stets verwehrt – sie kam bei den nationalen Wahlen nie über knappe 10 % hinaus. Ihr bestes Ergebnis erzielte IU 1996 mit 10,6 % unter Spitzenkandidat und Gründungsfigur Julio Anguita. Anguita ist auch nach seinem Ausscheiden aus der IU/PCE-Führung (nicht zuletzt wegen deren illusionären Hoffnungen in ein soziale Europa) bis heute eine treibende Kraft im Kampf gegen EU/Euro: mit der Frente Civico regte er 2012 eine neue linke Bewegung gegen das spanisch-europäische Elitenregime an. Anguita wird am internationalen Forum in Italien anwesend sein, gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Frente Civico sowie mit ihr verbündeter Bewegungen und Zeitschriften. Mit dem Parlamentsabgeordneten und langjährigen KP-Theoretiker Manolo Monereo ist ein prominentes Bindeglied zwischen IU/PCE und Podemos in Chianciano dabei. Auch der derzeitige Vorsitzende der KP Spaniens José Luis Centella Gómez wird in Chianciano die Position der KP zur Frage von EU und Euro sowie einer alternativen Perspektive für Spanien darlegen.
Der zweite Pol des Widerstandes und der Instabilität im spanischen Staat ist die nationale Unabhängigkeitsbewegung, wo derzeit Katalonien der Kernpunkt ist. Mit Josep Manel Busqueta nimmt ein Mitglied und ehemaliger Parlamentarier der linken Unabhängigkeitsbewegung CUP an Forum teil. Gerade bei den nationalen Bewegungen, nicht nur auf der iberischen Halbinsel, ist die Beziehung zur EU umstritten: die bürgerlichen Fraktionen träumen meist von einem Europa der Regionen, das jenes der Nationalstaaten ablöst und ihre Ambitionen unterstützt. Die Linke gibt sich dieser Illusion freilich weniger hin, bleibt aber in der EU-Frage dennoch oft eher unklar im Rahmen des „sozialen Europa“-Diskurses. Umso spannender wird es die Stimme eines radikal-linken Pols der Unabhängigkeitsbewegung zu hören.