Interview mit Frank Futselaar, ehemaliger EU-Abgeordneter der Sozialistischen Partei der Niederlande
Von Mustafa Ilhan
Frage: Herr Futselaar, wie beurteilen sie den Wahlausgang in den Niederlanden?
Die politische Landschaft der Niederlande ist nun mehr zersplittert als je zuvor. Die Wählerschaft war ganz offensichtlich mit der bisherigen Regierung und ihrer Austeritätspolitik unzufrieden. Sie haben als Alternative nun vielen verschiedenen anderen Parteien ihre Stimme geschenkt.
F: Nach den Wahlen verstehen viele Europäer die Ergebnisse als einen Sieg über die Rechtspopulisten – obwohl die Rechtsliberalen und die Rechtspopulisten die erst- und die zweitstärkste Partei sind und damit insgesamt die Rechten gewonnen haben. Gibt es einen Grund zum Feiern?
Es war kein Sieg der Rechten. Die liberale VVD büßte 10 Sitze ein. Die rechtsextreme populistische PVV gewann zwar 5 Sitze dazu, aber viel weniger als sie erwartet hatte. Man spricht von einer Enttäuschung für Wilders Partei. Nachdem niemand mit ihnen eine Koalition einzugehen bereit ist, bleiben sie irrelevant.
F: Die sozialdemokratische Partei PvdA hat die tiefste Niederlage ihrer Geschichte erlebt. Was sind die Gründe?
Die niederländischen Sozialdemokraten haben in den letzten Jahrzehnten praktisch immer die neoliberalen Projekte unterstützt. Unter der letzten Regierung waren sie direkt für die Politik des Sozialabbaus verantwortlich. Die Unterstützung für sie war bereits in den vergangenen Jahren zurückgegangen, nun scheint sie fast ganz verloren zu sein.
F: Auch die SP hat einen sitzt in Parlament weniger als zuvor. Was hat Ihre Partei falsch gemacht?
Die SP hat gegenüber 2012 0,4 Prozentpunkte verloren, das ist geringfügig. Wir wurden von den Medien schon seit langem heftig attackiert und waren auf schwerere Verluste vorbereitet. Unsere gute Kampagne hat geholfen größeren Schaden abzuwenden. Trotzdem ist es bedauerlich, dass wir angesichts des Zusammenbruchs der PvdA uns nicht besser schlagen konnten. Zudem waren wir gerade unter jungen Wählern nicht gut.
F: Wie stehen Sie und Ihre Partei zu €uro-Krise und zum Austritt aus der €urozone?
Wir glauben, dass der Euro in seiner heutigen Form unhaltbar ist. Wir treten nicht dafür ein, dass die Niederlande die Eurozone jetzt verlässt, aber es muss möglich werden, dass Länder wenn nötig den Euro verlassen können.
F: Was bedeutet das Wahlergebnis für Brüssel bzw. für die Zukunft der EU?
Kurzfristig wird sich wenig ändern. Sehr wahrscheinlich wird es wieder eine Mitte-Rechts-Regierung geben, die die EU und die Austerität unterstützt. Aber die Position von Minister Dijsselbloen als Vorsitzender der Eurogruppe steht in Frage.
F: Die rechtspopulistische Partei PVV hat intensiv einen Austritt aus der €urozone sowie Islamfeindlichkeit propagiert. Glauben Sie, dass dieses Politik Wilders was gebracht hat?
Die PVV hat eine sehr schwache Kampagne geführt. Aber ihre Ideen sind in großen Teilen der Wählerschaft populär. Aber Wilders wird als Politiker immer weniger geglaubt und daher ist auch der Erfolg der PVV beschränkt.
F: Die niederländische Regierung hat vor den Wahlen türkische Wahlkampfauftritte in den Niederlanden verboten. Inwiefern hat der Konflikt mit der Türkei beim Wahlausgang für die Rechten und Sozialdemokraten eine Rolle gespielt?
Die Stellung von Premier Rutte (VVD) wurde durch den Konflikt in der Tat gestärkt. Er konnte sich staatstragend geben und als Verteidiger niederländischer Rechte darstellen, insbesondere als die Töne aus Ankara immer hysterischer wurden.
F: Was halten Sie von Erdogans Nazibeschimpfungen? Wie haben die Niederländer darauf reagiert?
Die von der türkischen Regierung verwendeten Begriffe sind ziemlich schändlich, besonders wenn man die gegenwärtige Repression in der Türkei gegen Journalisten, Lehrer und Akademiker in Rechnung stellt. Während die Niederläger sich deswegen aufregen, wird wahrgenommen, dass der Konflikt Erdogan hilft. Er verwendet uns fast als „Feind“ um Stimmen für sein Referendum zur Verfassungsänderung zu bekommen.
F: Unter welchen Bedienungen können die Beziehungen mit der Türkei
wiedergutgemacht werden?
Die türkische Regierung will diesen Konflikt nutzen, um ihre Unterstützung zuhause zu stärken. Bisher haben sie nur diplomatischen und symbolische Maßnahmen ergriffen. Es ist zu erwarten, dass nach dem Referendum im April die Beziehungen stillschweigend wieder verbessert werden.