DIE INTRIGEN DER ELITE UND IHRE PUTSCH-GELÜSTE: Der Fall Italien

La Repubblica ist eine Römer Tageszeitung. Eugenio Scalfari gründete sie 1976 als Kampf­blatt der italienischen Sozialdemokratie. Ihr Ziel war es, die KPI zu zerstören. Dass ihr dies nach ziemlich kurzer Zeit gelang, liegt allerdings nicht an Scalfari. Es liegt an der Selbstzer­störung der italienischen Linken. Wie sehr Scalfari dazu beigetragen hat, ist schwer zu beurteilen. – Heute ist dieses Blatt eine Hauptstütze des politischen mainstreams.

Dieses Blatt brachte am 8. Mai einen Bericht über die kommende Technokraten-Regierung – wie der Journalist glaubte. Der entscheidende Punkt war. Der italienische Staatspräsident beabsichtigte eine Regierung zu installieren, welche das gerade Gegenteil tun sollte, was eine Mehrheit der Wähler in den vergangenen Wahlen wollte und klar zum Ausdruck brachte. Es sollte eine Ministerpräsidentin installiert werden – der Name von Lucrezia Reichlin wurde genannt –, welche völlig dem rechten neoliberalen mainstream zu zu zählen ist und die skla­vische Unterwerfung unter die EU und die BR Deutschland garantieren sollte.

Die folgende Einigung machte zumindest in dieser Hinsicht der italienischen politischen Klas­se und den offenen und verhüllten Renzianern einen Strich durch die Rechnung. Umso größer ihre Wut. Matarella gab seine Putsch-Gelüste in der Tradition seines Vorgängers Giorgio Napoletano nicht auf. Er lehnt den designierten Wirtschafts-Minister Paolo Savona ab, weil dieser nicht EU-freundlich genug und ein Kritiker des Euro ist. Aber genau diese Position hat in den Wahlen eine klare Mehrheit bekommen. Erst war es nur der Rechte Salvini, der andeu­tete, dass er sich das abschminken möge. Nach langem, langem devoten Schweigen spricht nun auch Di Maio, der angebliche Populist, Klartext: Er verlangt ein impeachment des Präsidenten.

Dazu ist zu sagen: Das ist so konstruiert, dass zwar die Mehrheit der Abgeordneten (Senat und Kammer zusammen) eine „Anklage“ einbringen können. Aber entschieden wird von der Kaste. Es sind die höchsten Richter, aus denen eine Auswahl getroffen wird. Dass diese aber gegen ihren Standes-Kollegen entscheiden werden, ist so gut wie ausgeschlossen. Eine Krähe kratzt der anderen kein Auge aus. Dies trifft umso mehr zu, als Napoletano genug Präzedenzfälle geliefert hat, wie man einen legalen Putsch mit illegitimen Mitteln durchführt. Vergessen wir nicht: Matarelle wurde von der Parlaments-Mehrheit gewählt, die mit Aplomp gerade abgewählt wurde. Aber als Juristen können sich jetzt die Berufs-Kollegen des Matarella auf die „Legalität“ berufen. Außerdem hat der einen neuen Allliierten: Berlusconi…

Allerdings wird die Wahl aller Voraussicht nach eine Stärkung sowohl der Lega als auch, dank des Konflikts mit Matarella und der von ihm vertretenen bisherigen politischen Klasse, bringen. Wenn Matarella das in Kauf nimmt, dann muss diese politische Klasse schon ziemlich verzweifelt sein.

Was aber hat die Ängstlichkeit der EU-Eliten und ihrer journalistischen Sprachrohre wirklich zu bedeuten? Man fragt sich mit das mit Verwunderung. Denn im Regierungs-Programm der beiden künftigen Regierungs-Parteien ist ohnehin das meiste drinnen, was sich den Ober­schichten und den oberen Mittelschichten ihr Herz erfreut: flat tax, „Familienbonus“, ….

Aber das Ganze ist verbrämt mit einer gewissen Rhetorik des Bruchs und des Kultur-Ungehorsams. Das halten gerade die intellektuellen Sprecher der Eliten schlecht aus. Sie wünschen nicht nur eine gewisse Politik. In gewissermaßen katholischer Tradition ist ihnen ebenso wichtig, dass die Handelnden, und speziell die, welche aus einem Protest der Bevölkerung her kommen, Reue und Bußfertigkeit zeigen. Tsipras ist das gepriesene Modell. Wir brauchen bloß in die deutschen Zeitungen zu schauen. So sollen alle sein. Sie sollen nicht nur tun, was die Eliten möchten. Sie sollen vor allem auch so reden. Nur das gewährt auf Dauer Hegemonie.

Sie begreifen dabei nur nicht, dass ein größerer Teil der Bevölkerung das nicht mehr will. Anstelle also zu kapieren, dass ihnen diese Kräfte, M5S usw., beides liefern: die Politik und zumindest eine Zeitlang die Beruhigung der Bevölkerung durch Scheinkritik, wollen sie die Total-Unterwerfung auch in der Rhetorik.

Es ist nicht zuletzt der Stil der politischen Auseinandersetzung, welcher zeigt: Die Elite fühlt sich und ihre Hegemonie bedroht. Wer sich im Hauptstrom, im „Verfassungsbogen“ bewegt, soll mit „Achtung“ behandelt werden. Die Opposition, welche diese Grenzen nicht beachtet, ist „populistisch“, wohl auch – seit einiger Zeit – „faschistisch“. Der Doppelstandard ist hier wieder einmal mit Händen zu greifen. Der sogenannte „Antifaschismus“ ist nicht nur in Mitteleuropa, in Österreich und Deutschland, zu einem Schlachtross der Konservativen und Liberalen geworden. Die, welche inhaltlich den Faschisten historisch am nächsten standen, sind heute ganz eifrige Antifaschisten. Mit einer Faschismus-Analyse hat dies natürlich nichts zu tun. Wie auch? Hat doch Dimitroff schon auf die militant kapitalistische Grundlage des Faschismus verwiesen. Damals hat das Bürgertum den Faschismus als Rettungswall und Anker gegen jede demokratische Veränderung umarmt. Heute will die obere Mittelschicht und ihre Intellektuellen in derselben Tradition jede Änderung ihrer elitären Politik – in deren Mittelpunkt der Euro und die EU steht – mit dem durchsichtigen Vorwand abblocken, die „Populisten“ seinen alle Faschisten. Die konsequente Linke wird sich durch solche Anwürfe nicht irritieren lassen.

Bei aller Skepsis gegenüber den künftigen italienischen Regierungs-Parteien müssen wir, mit einem gewissem Amüsement, festhalten: Die Janitscharen des Bisherigen und der EU können es noch so weit bringen, dass aus dieser Regierung noch eine Herausforderung des status quo und des deutschen Europa wird.

Albert F. Reiterer