von Rainer F. Brunath
Mit dem Brexit-Verhandlungsergebnis zwischen EU und Großbritannien haben die EU-Eliten dem politischen London gezeigt, was eine Harke ist. Dafür trat Dominic Raab, der britische Brexit-Minister von seinem Amt zurück. Er sah seine Anwesenheit im Amt für überflüssig an, denn er wurde nicht zu den Verhandlungen geschickt, sondern die Vertraute der Premierministerin.
Man fragt sich, warum Theresa May so standfest bei ihrer Linie, den Brexit durchzusetzen, geblieben ist, obwohl scheinbar in der Bevölkerung die Zustimmung zum Festhalten an der EU-Mitgliedschaft wieder gewachsen scheint. Warum hat sie nicht ein zweites Referendum angesetzt, wie das so üblich ist in bürgerlichen Demokratien: es wird so lange abgestimmt, bis das Ergebnis wie gewünscht ausfällt. Beispiel dafür ist Irland, aber auch Dänemark. Es muss also etwas viel gewichtigeres sein, als das, was die Medien vermitteln.
Winston Churchill sagte einst: „Wir Briten haben unsere eigenen Träume“ Margaret Thatcher fauchte der EU-Ministerrunde in Fontainebleau entgegen: „Wir haben den Staat nicht deshalb erfolgreich zurückgedrängt, um ihn auf europäischer Ebene wieder errichtet zu sehen.“
Ist hinter diesen Aussagen die Antwort zu finden, warum ein halber Brexit besser sein soll als gar keiner? Geht man nochmals in die junge Vergangenheit und hören Margret Thatcher zu, als sie vor dem Beirat der britischen Juden eine Rede hielt und sinngemäß sagte: „die deutsche Vereinigung weckt bittere Erinnerungen an die Vergangenheit. Ich bin überzeugt, wie viele meiner Landsleute, dass es ungerecht ist, dass Deutschland wirtschaftlich so stark wird. Und eine Vereinigung des ehemaligen Kriegsgegners würde zu einem von Deutschland beherrschten Europa führen.“
Die Eliten, der Geldadel, die potenten Kapitalgruppen und nicht zuletzt die Waffenschmieden waren mit Margret Thatcher einig und auch jetzt stehen sie beratend hinter Theresa May. Diese Eliten wollen und werden sich nicht einem Europa-Hegmon unterordnen, der Deutschland heißt. Ist das verwunderlich für die Eliten der Insel, die über 300 Jahre eine Weltmacht war und immer noch über wirtschaftliche Resourcen verfügt, die eine EU nicht hat? So gesehen hat man die Mitgliedschaft in der EU gar nicht nötig. Der einzige Grund, warum diese Eliten die 40 Jahre in der EU hingenommen hatten, war der Wunsch, die eigene Bevölkerung ruhig zu stellen, zu korrumpieren mit einer wirtschaftlichen Entwicklung die den eigenen Reichtum nicht antastet, um verbreitete Armut in den Midlands zu mildern. Und das hat nicht funktioniert. Nun wollen diese Eliten die einmalige Chance für den Exit nicht verstreichen lassen. Deshalb gibt es kein zweites Referendum.
Der halbe Brexit aber, den Theresa May ausgekungelt hat, würde teuer werden: die EU-Herren (und Damen) haben den Brexit in ein kompliziertes Vertragswerk gepackt, das Britannien, ohne Schaden zu nehmen, nicht verlassen kann. Die Gefahr wird von vielen Konservativen in London auch gesehen und schon kursierten Unterschriftenlisten für ein Misstrauensvotum gegen May. Und die Brexit-freundliche Presse, zugleich die rechte Presse, trommelt gegen den Vertrag.
Nun soll der Trennungsvertrag im Dezember vom Unterhaus beschlossen werden. Dessen Annahme ist aber fraglich: die Nordirischen Unionisten, mit denen die Premierministerin regiert, lehnen bisher ab. Die Labour ist gespalten, denn es sitzen immer noch üble Kapitulanten von Typ Tony Blair im Unterhaus. Aber wahrscheinlich werden sie es kaum wagen, Frau May zu unterstützen um eine Neuwahl zu vermeiden.
Wie sieht nun das keineswegs großartige Verhandlungsergebnis aus? Antwort: es bleibt alles beim alten. Auch künftig wird es keine Zölle geben und Britannien unterwirft sich den Regeln des Binnenmarktes, die von der EU überwacht werden.
Das ist die Sicht von außen. Und jene von innen? Britanniens bisheriges Mitspracherecht über die Binnenmarktregeln, die in vielen Gremien ausgehandelt werden, gibt es nicht mehr. Dafür darf Britannien solche Regeln mit EU-Staaten bilateral aushandeln. Und: Freihandel mit Nicht-EU-Staaten wird nicht erlaubt. Jedoch solange nicht, bis ein vollständiger Austritt aus der EU erklärt und ein neues, eigenes Freihandelsabkommen mit der EU ausgehandelt worden ist. Und warum ist das so? Weil Nordirland im EU-Binnenmarkt verbleiben soll, um dort eine harte Grenze zu Irland zu vermeiden. Käme es dazu, bestünde die Gefahr, dass die alten Rivalitäten in Nordirland wieder aufbrechen.
Und London? Dortige Banken hätten nach dem Abkommen nicht mehr die Freiheit in allen EU-Ländern Bankgeschäfte abzuschließen. Die kontinentalen Bankzentren freuen sich schon, dass dort Tochterunternehmen der Londoner Banken eröffnet werden. Diese Frage ist aber noch offen. Es könnte auch sein, dass Großkonzerne vom Kontinent und den USA ein Finanzstandort London durchsetzen.
In der EU (Berlin, Paris) ist man zufrieden. Der Freihandel und der freie Fluss des Kapitals geht bis auf weiteres weiter wie gehabt. Und die EU hat ein Zeichen gesetzt: Achtung an alle die mit dem Gedanken eines Austritts spielen, denn der Ertrag wird minimal sein. Und man wird einen Packen an Problemen aufgehalst bekommen, die es quasi unmöglich machen, den ökonomischen Status quo zu halten.
Eigene Regelungen (Lexit), die nichts zu tun haben mit den Kapitalfreiheiten des EU-Binnenmarktes muss von den Arbeitern Britanniens erstritten werden, denn mit dem jetzt ausgehandelten Diktat ist ihnen nicht gedient.