Rainer Brunath, Hamburg, 27.9.2019
[Bild: Gedenkkundgebung des „Komitees Frieden für die Ukraine“ am 2.5.2015 anlässlich des Jahrestages des Massakers von Odessa beim sowjetischen Denkmal in Wien, das staatsvertraglich geschützt ist. Wenn es nach dem EP geht, müsste dieses geschliffen und die Kundgebung verboten werden.]
Das EU-Parlament in Straßburg verabschiedete am 19. September eine Resolution, die sich mit der „Bedeutung der europäischen Vergangenheit für die Zukunft Europas“ befasste. Die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten stimmten für diese Entschließung, 66 dagegen und 52 enthielten sich der Stimme.
Die Entschließung kam auf auf Initiative der baltischen Staaten und Polens zustande. Die vier osteuropäischen Staaten behaupten entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse und der historischen Wahrheit, dass erst mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag „die Weichen für den Zweiten Weltkrieg gestellt wurden“.
Hier manifestiert sich in den Regierungen der vier genannten Staaten ein ideologischer und verbohrter Rückfall in die schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges. Leider haben sich im Baltikum und in Polen nach der Zeitenwende 1989 breitenwirksam antirussische Stimmungen entwickelt, oder sie wurden von interessierter Seite erfolgreich ertabliert. Dem liegen revanchistische und revisionistische Bestrebungen zugrunde.
Nach dem Ersten Weltkrieg musste die damals noch junge und vom Bürgerkrieg geschwächte Sowjetunion als Kriegsverlierer Territorien im Westen, die ehemals zum Zarenreich gehörten, an Polen abgeben, sowie die Entstehung der baltischen Staaten hinnehmen. In den an Polen abgetretenen Gebieten, die zur Ukraine und zu Belorussland gehörten, lebte auch eine polnische bourgeoise Minderheit, die nach der Okkupation begann die ostslawische ansässige Landbevölkerung auszubeuten oder sie ihres Landes zu berauben. Diesen Zustand beendete der Einmarsch der Sowjetarmee, die von weiten Kreisen der ostslawischen Urbevölkerung als Befreier begrüßt wurden.
Der Nichtangriffsvertrag enthielt ein geheimes Zusatzprotokoll „für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung“. Das gestattete der Sowjetunion, im Ersten Weltkrieg verlorene Territorien des Russischen Kaiserreiches wiederzugewinnen. Es erklärte Ostpolen, sowie die drei baltischen Staaten zur sowjetischen Interessenssphäre
Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag wäre niemals zustande gekommen, hätten die Westmächete Großbritannien und Frankreich die vorher ausgesprochenen Allianz-Angebote der sowjetischen Führung angenommen. So kam es zum Schluss zum Stalin-Hitler-Pakt, den Stalin nutzte, um Zeit zu gewinnen, denn er sah den Krieg mit Hitler-Deutschland als unvermeidlich an. Monate hat es ihm gebracht, die er genutzt hat, um wichtige Industrien nach Sibirien zu verlegen.
Das zur Vergangenheit, die bestimmte regierungsnahe Bevölkerungsteile Polens und der Baltischen Staten mit einer Resolution auslöschen wollen, die die Unterdrücker und Unterdrückten, Opfer und Schlächter, Eindringlinge und Befreier gleichsetzt. Die Entschließung ist ein Text grober ideologischer Propaganda, die nicht auf Verständigung sondern auf Konfrontation setzt. Vollkommen absurd ist die Aussage in der Entschließung, dass „es von entscheidender Bedeutung für die Einheit Europas und seiner Bürger und für die Stärkung des Widerstands Europas gegen die gegenwärtigen Bedrohungen von außen ist, dass an die Opfer totalitärer und autoritärer Regime gedacht werde“. Da muss man fragen, welche aktuelle externe Bedrohung gemeint ist. An dieser Stelle entlarvt sich die Resolution als gegen Russland gerichtet. Jede andere Erklärung ist ein Eiertanz. Hat man an offizieller Stelle in Polen und den Baltischen Staaten vergessen wer sie vom Hitlerfaschismus befreit hat? Anscheinend ja.
Die FIR (Internationale Föderation der Widerstandskämpfer) erklärte dazu: die Resolution ist ein Schlag ins Gesicht der FIR und aller anderen Verbände der Überlebenden der faschistischen Verfolgung, aller Kämpfer gegen die nationalsozialistische Barbarei. Die Antifaschisten sagen nein zu solchen historischen Fälschungen, sagen NEIN, dass sie mit diesem Beschluss in keiner Weise einverstanden sein können.
Die FIR lehnt diese jüngste Entschließung des Europäischen Parlaments ab, in der Nazi-Faschismus und Kommunismus gleichsetzt und verurteilt werden. Diese Entschließung steht im völligen Gegensatz zur antifaschistischen und antirassistischen Entschließung vom 25. Oktober 2018.
Und weiter: Die FIR fordert das Europäische Parlament auf, seine eigene Autorität und Glaubwürdigkeit zu erläutern, zu schützen und zu bestätigen, anstatt gerade jetzt, wo die Gefahr von Faschismus, Rassismus und Nationalismus zunimmt, einen Weg der Spaltung einzuschlagen. […]
Wer allerdings auf dieser Gleichheit besteht, kann kein Demokrat sein; in Wahrheit und in seinem Herzen ist er bereits ein Faschist und er wird sich entwickelnden Faschismus nur mit Unaufrichtigkeit bekämpfen, den Sozialismus aber mit Hass und Verlogenheit.