Varoufakis: von der Tragödie zur Farce

von Wilhelm Langthaler

Am 9. Februar 2016 rief der ehemalige griechische Finanzminister seine neue Bewegung ins Leben – in Berlin, der De-facto-Hauptstadt des Euro-Regimes. Nach der griechischen Kapitulation im Sommer 2015, die die Anhänger des sozialen Europa in ihrem Glauben zutiefst erschütterte, hatte Varoufakis noch mit einem Plan B für Europa geliebäugelt – wenn auch halbherzig und inkonsequent. Doch nach dem Wahlerfolg von Podemos schien die gänzliche Kehrtwende nun opportun. Als hätte es die griechische Niederlage nie gegeben, tischt er uns die alte Illusion der sozialen EU neu auf, nun mittels einer „transnationalen Bewegung“. Bei der Plan-B-Konferenz in Januar in Paris hatte Lafontaine eine solche Haltung zutreffend qualifiziert: Warten auf Godot.

Der „Rückzug in den Kokon unserer Nationalstaaten“ sei genauso bedrohlich wie die „Unterwerfung unter Brüssels demokratiefreie Zone“. Der Zerfall der EU wird direkt und organisch mit Rechtspopulismus und Nationalismus sowie indirekt sogar mit Faschismus und Krieg in Verbindung gebracht – einer EU die an sich als Friedensprojekt eine ungeheure zivilisatorische Errungenschaft sei. Im fantastischen Manifest von Diem25 liest sich das folgendermaßen:

Die Europäische Union war eine außerordentliche Leistung. [Hervorhebung in Original] Sie hat europäi­sche Völker, die unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Kulturen pflegen, in Frieden zusam­mengeführt und damit bewiesen, dass es möglich ist, einen gemeinsamen Rahmen der Menschenrechte* auf einem Kontinent zu errichten, auf dem vor noch nicht allzu langer Zeit mörderischer Chauvinismus, Rassismus und Barbarei herrschten. Die Europäische Union hätte der sprichwörtliche Leuchtturm sein können, sie hätte der Welt zeigen können, wie aus jahrhundertelangen Konflikten und Bigotterie Frieden und Solidarität ent­stehen können.“

Quasi als stilles Eingeständnis der Unredlichkeit dieses Arguments stellen Varoufakis und seine Mitstreiter dem ein unverbundenes zweites an die Seite. Die Globalisierung könne nicht zurückgedreht werden, kein National­staat könnte alleine der Misere entfliehen, denn die internationalen Verflechtungen seien bereits zu groß – also gäbe es kein Zurück.

Varoufakis bedient damit zwei zentrale Ideologeme der herrschenden Eliten, die damit ihre behauptete Alterna­tivlosigkeit verteidigen. Ähnlich wie Kautsky vor hundert Jahren will er dem Superimperialismus einst in einer wundersamen Verwandlung einen sozialen Charakter aufprägen. Doch in der Logik der supranationalen Institu­tionen gibt es tatsächlich keine Alternative zum ungebremsten Neoliberalismus. Da muss man es schon wagen den Bruch und die Unter-Kontrolle-Nahme der Staaten als Gestaltungsinstrument der Mehrheit zu denken.

So unhaltbar und aussichtslos sich ein transnationales Reformprojekt auf EU-Ebene für uns auch darstellen mag, uns ist bewusst, dass diese Argumente unter den linksliberalen Mittelschichten sich nach wie vor einer gewissen Glaubwürdigkeit erfreuen. Ihre Lehre aus der Geschichte ist, dass es einer europäischen Kooperation bedarf. Dass diese exklusiv unter der Kontrolle der gleichen sozialen Eliten durchgeführt wird, die letztlich in Kontinuität der Serie an europäischen Katastrophen steht, wollen sie nicht sehen, weil sie sich keine Alternative vorstellen können. Viel größer ist ihre Angst vor dem Rechtspopulismus, der von der alten Rechten geführten sozialen Rebellion der Unterschichten. Gegen diese ziehen sie die liberalen Eliten vor.

Es ist notwendig sich mit diesen Argumenten zu befassen, denn jedes emanzipatorische Projekt gegen die kapitalistische Oligarchie braucht neben der Unterstützung der Unterschichten auch einen demokratisch gesinnten Teil des Mittelstandes auf seiner Seite.

Die Position Varoufakis’ fällt zusammen mit einer Verteidigungsoperation des linken Flügels des herrschenden Euro-Regimes. Verstaubte Gewerkschaftsbürokraten, abgehalfterte Sozialdemokraten und verbrauchte Alter­mondisten bedürfen des frischen Windes der modernen Medien-Inszenierung. Oder größer betrachtet: wer ist der bessere Exekutor des Eliten-Programms – Pasok oder Syriza? Die Antwort liegt auf der Hand. Und in Spanien wird sich das griechische Problem bald erneut stellen. Eine Große Koalition in Madrid mag in Berlin und Brüssel die bevorzugte Lösung sein, aber jeder weiß, dass dies nur temporären Aufschub brächte. Irgend­wann wird man Podemos domestizieren müssen. Und es sieht nicht danach aus, dass Iglesias sich auf den Bruch vorbereiten würde. Im Gegenteil, die Umarmung mit Varoufakis deutet in eine andere Richtung. Doch glücklicherweise ist die Geschichte offen.

Gegenwärtig geht es wohl darum, die Geburt einer ernsthaften Plan-B-Bewegung, die das Euro-Regime tatsächlich von links attackieren könnte, zu verhindern oder zumindest zu verzögern. (So lange bleibt das politische Feld dem Rechtspopulismus überlassen). Man sieht, dass Varoufakis’ Plan C=A nicht nur einer Mittelstandsillusion entspringt, sondern auch einem akuten Bedarf der Eliten entspricht. Darum ist es so entscheidend, dass die Plan-B-Initiative sich von den Halbheiten abgrenzt und mit einer klaren Position des Bruchs endlich startet – denn es ist ohnehin bereits reichlich spät.

Aus all den Gründen steht zu befürchten, dass uns die Chimäre der sozialen und demokratischen EU noch länger begleiten wird, während Varoufakis selbst wie jedes Spektakel sich als flüchtig erweisen könnte. Als geläuterte (nicht erratische) Marxisten haben wir gelernt, dass sich der Unterbau mitunter sehr viel schneller bewegt als der Überbau. So könnte das Ende des Euro schneller als erwartet kommen (was nicht notwendiger­weise deckungsgleich mit dem Zusammenbruch des dazugehörigen diktatorisch-ultraliberalen Regimes ist), die Realität also jene überholen, die sich hinter der Initiative Varoufakis’ versammeln und sich als Realpolitiker wähnen. Varoufakis selbst gibt jedoch lieber den Visionär: er fordert sogar einen europäischen Bundesstaat – welch Alptraum!

Zum Kern: Soziales und Demokratisches versus supranationaler Parastaat

Die EU- und Euro-Institutionen – von uns Euro-Regime genannt – sind gemeinsames Projekt der europäischen Eliten zur Durchsetzung des neoliberalen Programms. Die supranationalen Institutionen wurden nicht gegen die (National)staaten als solche aufgebaut, im Gegenteil sie stützen sich auf deren Spitzen. Aber sie sind direkt ge­gen den sozialen Kompromiss der 1970er Jahre gerichtet, kraft dessen der Staat eine gewisse soziale Umvertei­lung vornahm. Die EU hat den Gesellschaftsvertrag der Sozialreform aufgekündigt, um die (mit europäistischer Ideologie gedeckte) Diktatur der kapitalistischen Oligarchie durchzusetzen.

Dabei kann ein qualitativer Bruch in den 1970er Jahren festgestellt werden. Die alte EG war ein Staatenbündnis unter US-Vorherrschaft. Gegen die UdSSR war man im Sinne der Gewinnung von Hegemonie bereit soziale und demokratische Zugeständnisse zu machen und bei den schwächeren Staaten eine noch nie gekannte natio­nale Selbständigkeit zuzulassen. Mit dem Einbruch der ersten Nachkriegskrise kam es dann zum Zusammen­stoß, der mit der Niederlage der Sozialreform endete. Die 80er Jahre sind vom ununterbrochenen und bis heute andauernden neoliberalen Rollback geprägt. Die supranationale Zentralisierung der EU organisiert und dient diesem permanenten Angriff auf die Subalternen – radikale Verschärfung der sozialen Ungleichheit, Binnen­markt zur Durchsetzung der stärksten Kapitalien, gemeinsame Währung zur Disziplinierung der ehemaligen Weichwährungsländer. Letztlich führte dies entgegen den Versprechungen mit dem Einbruch der Weltwirt­schaftskrise 2007/8 zum Wiederaufleben der deutschen Herrschaft über Europa – statt mit Panzern nun eben mit Bankern.

Fazit: die EU ist ultraliberal oder sie ist nicht. Sie kann nicht sozial gewendet werden. Die sozialen wie politi­schen Reste des sozialen Kompromisses sind verkörpert im (National)staat. Es ist nur logisch, konsequent und politisch vernünftig, wenn sich die Subalternen in sozialer Selbstverteidigung der Wiedereroberung des (Na­tional)staates zuwenden. Die 70er Jahre waren kein Paradies, aber für die Unter- und Teile der Mittelschichten sicher besser als alles was danach kam. Der Ausgangspunkt für den Widerstand heute ist die Forderung nach der Wiederherstellung des Sozialen und des Demokratischen, und das geht nur im (Nationl)staat, denn dort gibt es zumindest noch die formalen Reste der Volkssouveränität, da gibt es Reste von alten Errungenschaften und da gibt es günstigere Kräfteverhältnisse als auf EU-Ebene, der fast blanken Diktatur des Kapitals.

Denn in der EU gibt es trotz aller Versprechungen auf Konvergenz extreme Unterschiede. Die Herrschaft der Eliten bedeutet die Herrschaft Deutschlands, des stärksten Staates. Die Eliten der anderen wollten sich an Ber­lin anhängen, ja bettelten förmlich unter den Euro-Schirm zu kommen, um mit dessen Unterstützung das ultra­liberale Programm durchzuziehen. Die Hegemonie der Oligarchie ist in Deutschland und den Zentrumsländern noch weitgehend und durchdringend, während sie an der Peripherie sehr brüchig geworden sind. Es kommt einem Aufruf zum politischen Selbstmord gleich vom griechischen oder portugiesischen Widerstand zu verlan­gen, auf den sozialen Aufstand im Zentrum zu warten – so wie es Varoufakis’ transnationale Bewegung sugge­riert. Im Gegenteil, die politisch fortgeschrittenen Bewegungen des Südens sollen und müssen vorwärts schrei­ten, den Bruch wagen, denn nur so kann Deutschland aufgerüttelt werden. Solange man der deutschen Export­maschine keinen Sand ins Getriebe wirft, wird Berlin die breiten Massen (ungeachtet Hartz-IV) passiv halten können. Der Bruch mit dem Neoliberalismus muss quer durch die EU gehen, muss das Euro-Regime zerbre­chen. Es ist dabei unvermeidlich, dass der Kampf den Gegensatz Zentrum-Peripherie aufgreift, so wie er das gesamte 20. Jahrhundert prägte. Das nicht sehen zu wollen oder gar verhindern zu wollen, heißt nichts anderes als die Position des Stärkeren, des Zentrums, zu beziehen.

Die neue Geschichte kennt keine soziale Revolution, keinen Bruch mit den kapitalistischen Eliten, die sich nicht auch des Nationalen bediente. Der Kern eines antikapitalistischen Projekts kann nur Hegemonie erlangen, wenn er den kapitalistischen Eliten die Herrschaft über die Nation streitig macht, sich als besseren Vertreter der Nation positioniert und die Eliten so isoliert – man erinnere sich an Gramsci. Das rein Soziale hat dazu noch nie ausgereicht und wird es auch in Zukunft nicht. Eine Alternative muss umfassend sein, den gesamten Demos erfassen und der ist zumindest in Europa national gefasst. Das gilt natürlich in erster Linie für die Peripherie. Aber es ist kein Zufall, dass der höchste je von der KPD erreichte Punkt der Widerstand gegen die französische Besetzung der Ruhr war. Durch die Sozialfaschismuslinie überlies man dann das Feld den Nazis…

Der Rechtspopulismus ist ein unvermeidlicher Bestandteil der Krise insbesondere in den Zentrumsländern, die historisch eine chauvinistische Kultur als Komponente mit sich führen. Doch das darf kein Vorwand sein, die Herrschaft der ultraliberalen Eliten als kleineres Übel hinzunehmen. Ein soziales und demokratisches, ja ein sozialdemokratisches Programm ist heute nur über den (National)staat möglich. Brandt, Kreisky oder Palme mögen die Referenzpunkte sein. Sie standen für gegenwärtig undenkbare Zugeständnisse der Eliten. Die heutige Problemstellung ist jedoch viel näher an Mitterrand, dem die Eliten die Reform bereits verweigerten und der in der Folge einknickte.

Heute bedarf es für ein simples sozialdemokratisches Programm einer wahren politischen Revolution, auch gegen die heutigen Sozialdemokraten die Teil der Konterreform sind. Es bedarf des Bruchs, den sich Tsipras nicht getraute und gegen den Varoufakis transnational wirbt – Iglesias kommt das gerade zupass.

Wir brauchen einen echten Plan B gegen das Euro-Regime. Er muss sehr breit sein und kann dem Inhalt nach als Ausgangsplattform moderat-sozialdemokratisch bleiben. Aber er muss von Anfang an und dezidiert zum Bruch mit der Oligarchie und zur Rückkehr zum (National)staat bereit sein, um in Richtung Volkssouveränität vorstoßen zu können.

Der einzige Weg den Rechtspopulismus zu bekämpfen ist, dem europäischen Supranationalismus, diesem Internationalismus der Eliten, entgegenzutreten. Wir sind gegen die Realverfassung der EU und ihre Zivilreligion – die drei Freiheiten der Elite: jene auf Bewegung von Kapital, Waren und Arbeitskraft im Dienste des größten Pro­fits. Die Produktionsfaktoren müssen unter die politische Kontrolle der Mehrheit gestellt werden, die durch den (National)staat ausgeübt wird.

Der Einwand, dass die Globalisierung (national)staatliche Steuerung obsolet mache oder gar verunmögliche, vermischt zwei Ebenen. Das ist einerseits die Ebene der internationalen Arbeitsteilung und damit Verflechtung, die man auch als Ausdruck hoher Produktivität fassen kann. Aber dann ist da die politische Ebene, wo die star­ken Staaten des Zentrums den Freihandel und den Rückzug des Staates als Protektor der Schwächeren predigen, während sie selbst unentwegt ihrem Kapital dienen, sie Bankenrettung oder den VW-Diesel-Imperialismus. Ein verstärktes staatliches Eingreifen zugunsten der Unteren, bedeutet nicht notwendigerweise eine Rücknahme der internationalen Arbeitsteilung (obwohl in einigen Bereichen sicher sinnvoll), sondern zuerst eine Verringerung der Ungleichheit.

Der Bruch mit der Globalisierung der Eliten und der stärksten Staaten wie USA, Deutschland (und damit mitten durch die EU) oder Japan eröffnet erst den Weg für eine tendenziell gleichberechtigte internationale Kooperation und damit auch der schrittweisen Überwindung des epochalen Zentrum-Peripherie-Gegensatzes.

Ein demokratischer Internationalismus geht über die Etablierung der Volksouveränität mittels Staaten, die sich als Nationen oder möglicherweise auch als größere politische Einheit definieren, so wie seinerzeit Jugoslawien. Die EU kann das jedoch nicht sein. Sie muss im Verteidigungskampf der Subalternen als Instrument der Eliten zerbrechen.

 

Wilhelm Langthaler

 

* Anmerkung von Albert F. Reiterer: Das ist einer jener verlogenen Darstellungen, wie sie im Zentrum der Euro-Enthusiasten stehen. Was haben Menschenrechte mit der EU zu tun? Menschenrechte wurden vom Europarat, lange vor der Gründung der EWG und natürlich umso länger vor der der EU, zu einer einklagbaren Realität westeuropäischer Länder. Die EU aber betrachtet seit je den Europarat als feindlichen Konkurrenten, den es zugrundezurichten gilt. Weiß Varoufakis nicht, dass die EU sich seit Jahrzehnten weigert, dem Europarat und damit der Menschenrechtskonvention beizutreten? Weiß Vaorufakis nicht, dass der EuGH dem Rat vor einem Jahr ausdrücklich einen solchen Beitritt verboten hat, als sich dieser dazu entschloss? Man fasst es nicht: Die Bürokratie hat es dem angeblich entscheidenden politischen Gremium verboten! Das also ist die „außerordentliche Leistung“ der EU bei den Menschenrechten!

 

Krise der Weltwirtschaft, erneute Eurokrise: Ein Plan B für Europa?

Von Klaus Dräger

Die ‚Weltwirtschaft’ steht vor düsteren Zeiten – so das Fazit vieler Auguren auf dem Eliten-Forum von Davos 2016. Der sinkende Ölpreis, der Verfall anderer Rohstoffpreise, das abfla­chende Wachstum in China – das ist (vordergründig) der Stoff, den der Kapitalismus der ‚globalen Turbulenz’[1] zu verdauen hat. Dies drückt auf die Einnahmen der sich industrialisie­renden Schwellenländer inklusive Russland. Es lässt dort sowohl private wie staatliche Schul­den explodieren, und dämpft künftig u.a. wohl auch die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen des ‚Exportvizeweltmeisters Deutschland’. Nervöse Börsen, Absturz der Kurse auf Raten – das erinnert viele ‚Analysten’ an das Vorspiel zur ‚Großen Rezession’ 2007/2009.

7 Jahre Stagnation und die Folgen

Wie steht es um die stets von IWF, EU-Kommission etc. beschworene ‚wirtschaftliche Erho­lung’ seither? Ende 2015 laut IWF: das inflationsbereinigte Pro-Kopf-Einkommen in nationa­ler Währung war in 11 von 20 der untersuchten ‚westlichen’ Länder niedriger als zu besseren Zeiten vor Einbruch der Krise in 2008.[2] Sogar in Deutschland als dem Land mit dem höchsten Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens wuchs es 2008 – Ende 2015 nur noch um 0,8 Prozent jährlich. Japan schaffte während seiner zwei ‚verlorenen Jahrzehnte’ von Deflation/Stagnation 1990 bis 2010 immerhin diesbezüglich noch ein jährliches Wachstum von 1 Prozent. Kurzum – es gab seit 2008 keine reale wirtschaftliche Erholung in den Ländern des ‚Westens’. Son­dern im Durchschnitt Stagnation, und sogar vertiefte Krise in den wirtschaftlich schwächeren Ländern.[3]

„Die heutige Lage ist schlimmer als 2007“, verkündete der frühere Chefvolkswirt der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, die ‚Zentralbank der Zentralbanken’) William White in Davos.[4] Nach der Pleite von Lehman Brothers seien die Schwellenländer (emerging markets) stabil geblieben und damit Teil der Lösung der Krise gewesen. Nun seien auch sie Teil des Problems eines immer instabiler werdenden globalen Finanzsystems.

Nullzinspolitik und geldpolitische Lockerung (QE, quantitative easing) der Zentralbanken der reichen Industrieländer hätten in einer Welt des freien Kapitalverkehrs zu massiver Kreditauf­nahme in Dollar in Ostasien und weiteren Schwellenländern geführt. Und damit abermals Spekulationsblasen angetrieben. Nun seien öffentliche und private Schulden zusammen genommen in den Schwellenländern auf 185 Prozent des BIP und im OECD-Raum auf 265 Prozent des BIP angestiegen. Wenn die Blasen abermals platzten, stehe eine harte Landung mit neuen Bankenkrisen bevor.

EU-Banken hätten bereits 1 Billion Dollar notleidender Kredite zugegeben, seien durch ihren Kapitalexport in die Schwellenländer nochmals krisenanfälliger geworden, und hätten verdeckte faule Kredite von vorher wohl vertuscht. Das europäische Bankensystem müsse im Fall einer abermaligen globalen Rezession in einem bislang unvorstellbaren Ausmaß re-kapitalisiert werden.

Dies ergibt ein insgesamt düsteres Szenario: Weltwirtschaftskrise, Finanzkrise, Banken­kollaps, Eurokrise – alles kommt erneut zusammen. Die ‚makroökonomische Munition’ zum Gegensteuern ist durch vormalige Bankenrettung, lockere Geldpolitik etc. aber bereits weitgehend verpulvert worden.

„Plan B“ für Europa

Bereits seit 2011 sah Oskar Lafontaine „das Ende des Euro kommen“[5]. Seine und ähnliche Kritiken von Heiner Flassbeck und anderen sind bekannt. Stichworte: verfehlte Banken­rettung, dadurch steigende öffentliche Verschuldung, Austeritätspolitik, die alles schlimmer macht; eine ohnehin falsch konstruierte Währungsunion mit dem Ergebnis, dass Löhne, real­wirtschaftliche Entwicklung, Leistungsbilanzen etc. im Euroraum immer weiter auseinander driften. Das durch den Europluspakt und den Fiskalvertrag nochmals verschärfte Euroregime zwingt vor allem Länder mit Leistungsbilanzdefiziten zu einer Politik der ‚inneren Abwer­tung’ (Lohnkürzungen, Sozialabbau usw.), um angeblich ‚internationale Wettbewerbsfähig­keit’ zurück zu gewinnen. Dass dies so nicht funktioniert, haben die letzten Jahre gezeigt: Verarmung großer Teile der Bevölkerung, weitere De-Industrialisierung und Anstieg der Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte vor allem in den Ländern Südeuropas, aber nicht nur dort. Nun kommen die Risiken einer erneuten Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise hinzu.

Als Reaktion auf die Diktatpolitik der EU gegenüber der von Syriza geführten Regierung in Griechenland lancierten Oskar Lafontaine, Jean Luc Mélenchon und andere eine „Plan B“-Initiative, die in Paris am 23./24.1.2016 stattfand. Diese Tagung diskutierte vor allem, ob der Euro durch ein reformiertes Europäisches Währungssystem (EWS) abgelöst werden solle.[6] Die Währungsunion werde über kurz oder lang zerbrechen, weil die durch das Euroregime verursachten wirtschaftlichen und sozialen Spannungen auf Dauer nicht von den vom deutschen Kapital und seiner Regierung dominierten Ländern des europäischen Südens und anderen ertragen werden könnten – so die Analyse.

Um eine chaotische Auflösung der Eurozone zu verhindern, wird ein EWS als ‚europäische Auffanglösung’ vorgeschlagen. Dabei könne man auf die Erfahrungen des von 1979 bis zum Start des Euro 1999 bestehenden EWS zurückgreifen. Also auf währungspolitische Instru­mente, die in der Vergangenheit einigermaßen funktioniert haben. Das EWS wäre ein System, in dem Auf- und Abwertungen der ihm angeschlossenen Währungen politisch zwischen den Regierungen verhandelt würden, und je nach Bedarf angepasst werden könnten.

Für den öffentlichen Diskurs ist das m. E. erstmal vernünftig. So kann sich die EU- und euro­kritische Linke als Kraft darstellen, die in scharfer Abgrenzung zu den Rechtspopulisten eine europäische Lösung will, die Probleme vielleicht besser anpackt und demokratische Volks­souveränität schützt, als das derzeitige autoritäre Euroregime mit Deutschland als Zucht­meister Europas.

Der linke italienische Ökonom Emiliano Brancaccio schlug in Paris vor, ein EWS u.a. durch Kapitalverkehrskontrollen abzusichern, sowie zusätzlich selektive protektionistische Maß­nahmen zuzulassen (um z.B. Re-Industrialisierungs-Strategien in den europäischen Südlän­dern zu unterstützen). Auch dies erscheint mir vernünftig, und steht dann im Konflikt mit den EU-Binnenmarktregeln.

Interessanterweise war es der Rat der Eurogruppe, der 2013 die Einführung von Kapitalver­kehrskontrollen in Zypern durchsetzte – nachdem der neue konservative Präsident Anastasi­adis dort die Auflagen der Troika für ein ‚Rettungsprogramm’ akzeptiert hatte. In diesem Fall ging es ja nicht um ‚unser’ Geld – d.h. von Banken der EU-Kernländer – sondern von Anle­gern aus Russland, Großbritannien und dem Nahen Osten. Sie sollten es nicht abziehen können und wurden voll dem Schuldenschnitt unterworfen. Die EU-Eliten sind somit durchaus in der Lage, ‚linke’ Instrumente wie Kapitalverkehrskontrollen anzuwenden – sofern dies nicht die Interessen ‚ihrer’ Finanzkapitale berührt. Wie ist es umgekehrt, wenn eine ‚linke Regierung’ die Finanz­industrie der EU-Kernländer zur Verantwortung zwingen wollte?

Ein neues EWS – und alles wird gut?

So einfach liegen die Dinge wohl auch nicht.[7] Erinnern wir uns an Frankreich 1981: Mitterand hatte die Präsidentschaftswahl gewonnen mit einem Programm für Vollbeschäftigung, Ver­staatlichung der Banken und einiger großer Unternehmen, für Re-Industrialisierung, Absen­kung des Renteneintrittsalters und einer Einkommenspolitik für die unteren Schichten zur Belebung der Binnenwirtschaft.

Dies geschah in einem internationalen Umfeld, wo Ronald Reagan US-Präsident wurde, US-Zentralbankchef Paul Volcker den Leitzins drastisch erhöhte (‚Volcker-Schock’), die Bundes­bank nachzog und der Rest der EWG auf Bekämpfung der Inflation gepolt war. Frankreich hätte eine deutliche Abwertung des Franc um 20 Prozent benötigt, um diese Strategie der Sozialisten wirksam werden zu lassen. Der damalige Industrieminister Jean Pierre Chevène­ment verlangte den Austritt Frankreichs aus dem EWS und selektive protektionistische Maß­nahmen, um die Re-Industrialisierungsmaßnahmen und das Vollbeschäftigungsprogramm abzusichern.

Mitterand versuchte vergeblich, den damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) davon zu überzeugen, mit Frankreich zusammen eine halbwegs keynesianische Strate­gie für Vollbeschäftigung in Europa zu vereinbaren. Nach einigen mickrigen Abwertungen des Franc und ebensolchen Aufwertungen der DM 1981 – 1983 entschied sich die französi­sche Linksregierung zu einem radikalen Umsteuern. Der Franc sollte nach dem Vorbild der DM zur ‚Hartwährung’ ertüchtigt werden, unter Jacques Delors wurde der ‚tournant de la rigeur’ (Austeritätspolitik) proklamiert, und damit das ursprüngliche Programm der Sozia­listen aufgegeben. Dies alles, um der ‚europäischen Integration’ zu dienen. Die Sozialisten wurden dann bis 1993 in mehreren Stufen von ihren WählerInnen hart abgestraft.[8]

Ähnlich die Fragen aus der ersten ‚Griechenlandkrise’ 2010/2011: ein von vielen Ökonomen geschätzter Abwertungsbedarf von 30 – 50 Prozent. Das könnte von einem neuen EWS nicht aufgefangen werden. Insofern: ein erneuertes EWS propagieren – ja. Aber reale und absehbare weitere Krisenentwicklungen (siehe oben) könnten auch dazu führen, dass vor allem von ‚Linksbündnissen’ geführte EU-Länder daraus ausscheren müssten. Sofern sie ihr Programm umsetzen wollten, mit dem sie demokratische Wahlen gewannen.

Nostalgie gegenüber dem ‚alten EWS’ halte ich für unbegründet. Es war hierarchisch struk­turiert (im wirklichen Leben, nicht in der ‚Modell-Theorie’). Die DM als harte Währung diente als ‚Anker’. D.h. alle Teilnehmerländer sollten versuchen, ihre Währung in Richtung der DM ‚härter’ zu machen, um von den weiteren in die engeren ‚Schwankungs-Bandbreiten’ vorzudringen. Im politischen Klima der 1980er und 1990er, wo ‚Inflationsbekämpfung’ das oberste Ziel war, ist es m.E. nicht verwunderlich, dass im alten EWS Abwertungen einzelner EG-Länder dort nicht zu einem heimischen Inflationsschub führten.

Das alte EWS war in dieser Hinsicht in der Praxis ‚asymmetrisch’ angelegt: ‚Anpassungslas­ten’ hatten vor allem die ‚Schwachwährungsländer’ (z.B. Italien, Spanien, Portugal usw.) zu tragen, die sich immer wieder an den ‚DM-Standard heranrobben’ (Tietmeyer, damals Bundesbankchef) mussten.[9] Sie wurden von der deutschen ordo-liberalen Orthodoxie im Vorlauf zur Währungsunion als lasziver ‚Club Med’ gebrandmarkt, den man auf keinen Fall in die WWU hereinlassen dürfe.[10]

Als dann mit dem Vertrag von Maastricht Kurs auf die Währungsunion genommen und des­halb weitgehend auf Auf- und Abwertungen verzichtet wurde, konnte ein gewisser George Soros 1992/93 mit spekulativen Attacken die Bank of England in die Knie zwingen. Groß­britannien und Italien schieden aus dem EWS aus, die ‚Bandbreiten’ wurden für alle auf 15 Prozent festgesetzt (was schon eher ‚flexiblen Wechselkursen’ entspricht). Das alte EWS – eine ‚Erfolgsgeschichte’? Seine historische Bilanz ist eher ‚durchwachsen’.

Zu Nutzen und Grenzen von ‚Modell-Debatten’

Glauben die auf der Pariser Plan B Konferenz versammelten Kräfte daran, es ließe sich eine europäische oder nationale Massenbewegung für ein ‚neues EWS’ erzeugen? Vermutlich nicht. Für Erwerbslose, Arme, ArbeitnehmerInnen und selbst die ‚Mittelschichten’ sind Fragen nach einem anderen Währungsregime in Europa allein zu komplex und von ihrer Lebenswirklichkeit soweit entfernt, dass sie solche ‚Alternativen’ bestenfalls in den Grundzügen (und eher auf einer ‚sozialen Werteebene’) nachvollziehen und bewerten würden.

Antworten zu geben auf Fragen, die den ‚90-Prozent’ auf den Nägeln brennen: soziale Sicher­heit, ökologischer und sozialer Umbau/nachhaltige Entwicklung, Demokratie, Geopolitik des Westens/Flüchtlingskrise etc., Erhaltung des Friedens usw. – auch diese Themen wurden in Paris durchaus diskutiert. Alternative Vorschläge zum existierenden währungspolitischen Regime in der EU sind m.E. ein notwendiger Mosaikstein in diesem Rahmen. Aber das reicht bei weitem nicht hin, um linke gesellschaftspolitische Veränderungsphantasie (und erst recht ‚Bewegungen’) zu beflügeln.

 

Klaus Dräger ist freier Autor in Köln und Mitglied des Beirats der Zeitschrift ‚Z‘ – Marxistische Erneuerung.

 

[1] Siehe Robert Brenner: The Economics of Global Turbulence: The Advanced Capitalist Economies from Long Boom to Long Downturn, 1945-2005, London, Verso, 2006. Seine zusammenfassende Einführung dazu von 2009 hier: http://www.sscnet.ucla.edu/issr/cstch/papers/BrennerCrisisTodayOctober2009.pdf

[2] In weiteren fünf Ländern – Österreich, Schweiz, Island, Irland und Großbritannien), war es nur marginal höher (0,05 % in Österreich bis 0,3 % in Irland).

[3] Siehe Ha.-Joon Chang: Don´t blame China for these global economic jitters; The Guardian, 21.01.2016

[4] World faces wave of epic debt defaults, fears central bank veteran; The Telegraph UK, 19.01.2016

[5] Lafontaine-Interview auf Spiegel-online vom 13.12.2011; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/linke-spitzenpolitiker-lafontaine-sieht-ende-des-euro-kommen-a-803229.html

[6] Siehe Martin Höpner: Voran in ein erneuertes Europäisches Währungssystem – und alles wird gut? http:/­/www.flassbeck-economics.de/voran-in-ein-erneuertes-europaeisches-waehrungssystem-und-alles-wird-gut/

[7] Martin Höppner, der dieses Modell propagiert und zum alten EWS eine faktenreiche empirische Studie vorgelegt hat, behauptet dies auch nicht.

[8] Eine m.E. profunde Analyse dieser Epoche bieten Serge Halimi, Jonathan Michie und Seumas Milne: The Mitterand Experience; in: J. Michie and J. Grieve-Smith (eds): Unemployment in Europe, London, Academic Press, 1994. Siehe auch den Beitrag von Jonah Birch hier: https://www.jacobinmag.com/2015/08/francois-mitterrand-socialist-party-common-program-communist-pcf-1981-elections-austerity/

[9] Vgl. z.B. Heinz-Peter Spahn: Die Krise des EWS und die brüchigen Grundlagen der Leitwährungsordnung; in: Claus Thomasberger (Hg.): Europäische Geldpolitik zwischen Marktzwängen und neuen institutionellen Regelungen, Marburg 1995; S. 171 – 199

[10] Das war damals schon der Vorlauf zur jüngeren Propaganda von den ‚faulen Griechen’, den ‚Müßiggängern’ der EU-Südländer, und den korrupten, vom Staatssozialismus verdorbenen Osteuropäern. Deutschland und die ‚Nordeuropäer’ sind demgegenüber ‚rechtschaffen’ und ‚arbeiten hart’ – was jede vergleichende Statistik widerlegt. Die Manipulationen der Deutschen Bank- sie ist deshalb mit Milliardenbeträgen vor diversen Gerichten konfrontiert – sie zählen nicht. Die Zeche sollen ihre Beschäftigten durch Personalabbau begleichen – wie immer. Das verschärfte Euroregime produziert seinen eigenen Ausgrenzungsmechanismus. Es hetzt Nationen und Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf, und de-legitimiert somit selbst die von ihm propagierte ‚Europa-Idee’ von ‚Einheit in der Vielheit’ und einer immer enger zusammenwachsenden ‚Union’. Vielleicht ist diese ‚kulturelle’ Komponente der Eurokrise noch wichtiger als die eigentlich ökonomische.

Kommuniqué der Europäischen Koordination gegen den Euro

Paris, 22. Januar 2016

Für einen Plan B in Europa von A bis Z…

Die Pläne B sprießen von Paris, über Berlin bis Madrid. A, B oder C – was wollen die Initiatoren wirklich?

 

A. Die Organisatoren der Pariser Konferenz vom 23./24. Januar haben Redner aufgeboten, deren Positionen mitunter weit auseinander liegen. Solche wie die von Oskar Lafontaine, der für einen Euroaustritt eintritt damit jedoch nicht die LINKE repräsentieren, oder von Frédéric Lordon, Emiliano Brancaccio, Costas Lapavitsas – was haben sie gemein mit den „Altereuropäisten“ denen es zuerst darum geht „Europa zu retten“?

 

Letztere ebenso wie die Organisatoren des Treffens beschränken sich darauf die Neuverhandlung der Verträge zu fordern: „Unser Plan A: in jedem unserer Länder und gemeinsam in ganz Europa für eine völlige Neuverhandlung der europäischen Verträge zu arbeiten“. Es ist eine gefährliche Illusion glauben zu machen, dass dies möglich sei. Wie soll eine Neuverhandlung zugunsten der Beherrschten möglich sein, ohne zur Souveränität der einzelnen Länder der Union zurückzukehren? Für die Organisatoren kann „keine europäische Nation isoliert zu ihrer Befreiung fortschreiten“. Man muss befürchten, dass sich der Pariser Plan B in einen Berliner oder Madrider Plan C verwandelt.

 

 

B. Schrumpfplan B

 

Für den 9. Februar haben Yanis Varoufakis, ehemaliger griechischer Finanzminister der vom Pariser Programm verschwunden ist, und Arnoud Montebourg, ehemaliger Wirtschaftsminister von Manuel Valls, Vize-Aufsichtsratschef der Möbelkette Habitat sowie Funktionär der Firma Talan, die Gründung der „Bewegung für Demokratie in Europa 2025“ (DiEm2025) angekündigt. Vom 19.-21. Februar wollen in Madrid verschiedene mit Varoufakis verbundene spanische Linke ein ähnliches Ereignis wie in Paris veranstalten. Will Varoufakis den Spaniern etwa erklären, sich an der Kapitulation Tsipras ein Beispiel zu nehmen? Wäre es nicht besser die Bedingungen für den Widerstand und den Bruch mit den Diktaten Berlins und Brüssels zu organisieren?

 

Die Europäische Koordination für den Euro-Austritt, die bereits Initiativen in Griechenland, Italien und Spanien organisiert hat, der jedoch der Dialog verweigert wurde, stellt sich gegen alle Parteien, Organisationen und Persönlichkeiten, die unbeirrt an einem „europäischen Projekt“ festhalten und die den Konflikt mit der EU und dem Euro als das scheuen, was sie sind: Werkzeuge zur Unterdrückung der Völker.

 

Unsere Koordination erklärt ihre Bereitschaft mit allen zu arbeiten die den Euro verlassen wollen und über das Wie diskutieren wollen.

 

Wir verurteilen alle Versuche, die Beherrschten in der Sackgasse des Euro, der EU und der Nato zu belassen. Die große Mehrheit der Bevölkerungen unserer Länder haben ein vitales Interesse daran ihre nationale Solidarität wiederzuerlangen, um mit der Austerität Schluss zu machen und die Freiheit wiederzugewinnen, eine Politik der sozialen Gerechtigkeit zu definieren.

Pariser Plan B: Halbheit überwinden

von Wilhelm Langthaler

 

Podemos’ Wahlerfolg scheint griechische Katastrophe vergessen zu machen

 

Am 23.-24. Januar fand in Paris die Plan-B-Konferenz statt. Aufgerufen hatten fünf nicht mehr amtierende Minister oder politische Amtsträger, namentlich Stefano Fassina, Yanis Varoufakis, Jean-Luc Mélenchon, Zoe Konstantopoulou und Oskar Lafontaine. Damals standen alle unter dem Schock der griechischen Ereignisse, als die deutschen Finanzpanzer die griechische Volksrevolte niederwalzten: ein Plan B zum Widerstand gegen das Euro-Regime war offensichtlich notwendig geworden.

 

Doch liest man den Aufruf genau, so stellt sich schnell heraus, dass der Name selbst das radikalste an ihm ist. Tatsächlich geht es nur um den altern Hadern der Neuverhandlung der EU-Verträge. Der Euro-Austritt diente lediglich als Drohgebärde, um den gescheiterten Plan A der sozialen EU durchzusetzen. Als wollte man den Referendum-Bluff Tsipras’ und Varoufakis’ auf höherer Stufenleiter wiederholen.

 

Doch dann kam im Dezember der Wahlerfolg von Podemos in Spanien, der auf der Basis der Unterstützung der Tsipras-Linie erfolgte. Angesichts des wesentlich höheren Gewichts Spaniens bekamen jene, die den Bruch mit dem Euro-Regime vermeiden wollen, Wasser auf ihre Mühlen und die todgeglaubte soziale EU begann wieder in den linken Köpfen herumzuspuken.

 

Die ursprünglich bereits für den vergangenen November anberaumte Konferenz hatte man verschoben – wegen der Pariser Terroranschläge, wie die Organisatoren der französischen Linksfront und –partei versicherten. Bereits das verrät einiges über die Stellung der Veranstalter zum herrschenden System. Denn tatsächlich wurde die Konferenz durch den antidemokratischen und hysterischen Ausnahmezustand der französischen Regierung verunmöglicht, den Mélenchon bis heute unterstützt!

 

Scheinbar hatte sich der Medienstar Varoufakis dank der verlängerten Bedenkzeit eines Besseren besonnen und hat vor einem allzu wilden Plan B Abstand genommen, zugunsten eines Plan C, der nichts anderes ist als sein alter, gescheiterter Plan A. Er war daher in Paris nicht erschienen – sicher nicht zum Schaden der Konferenz.

 

Den Anfang machte Oskar Lafontaine mit einer sehr klaren, konzisen und bestimmten Rede: Der Süden könne nicht auf einen sozialen Schwenk in Deutschland mit seinem Lohndumping warten, denn das wäre ein Warten auf Godot. Der Austritt aus dem Euro und die Rückkehr zu einem System von politisch kontrollierten Wechselkursen sei eine unbedingte Notwendigkeit. Statt eines Quantitative Easing zugunsten der Banken bedürfe es direkter staatlicher Investitionen. Die Zentralbank und die Geldpolitik müssten unter demokratische Kontrolle genommen werden und den Interessen der Mehrheit untergeordnet werden. Aber er griff auch die westliche imperialistische Politik der Kriege an, verurteilte die Unterordnung unter die USA und wies darauf hin, dass es erst diese Politik sei, die die Flüchtlingsströme hervorrufen würde.

 

Lafontaine formulierte ein echtes soziales und demokratisches Programm für Mehrheiten – den Plan B!

 

Wie das allerdings mit Gysis Rot-Grün im Dienste der deutschen Exportindustrie und Unterordnung unter die US-Außenpolitik zusammengeht, blieb Lafontaine den Zuhörern schuldig.

 

In den folgenden Diskussionen legten einige mehr, andere weniger bekannte Figuren noch nach. Lapavitsas, der ehemalige Syriza-Abgeordnete, der immer für den Bruch eingetreten war, formulierte präzise: nationale Währung, Streichung der Schulden, Kapitalverkehrskontrollen, Verstaatlichung des Finanzsektors, demokratische Souveränität über den Staat und ein Ende der postnationalen, globalistischen Ideologie der Linken, die die Subalternen den supranationalen neoliberalen Eliten auslieferte. In eine ähnliche Kerbe, wenn auch nicht immer so bestimmt, schlugen die Ökonomen Brancaccio (Italien), Lordon (Frankreich) oder Höpner (Deutschland) – und einige andere mehr.

 

Am Sonntag blies Stefano Fassina, der vergangenes Jahr noch für eine breite Front für die nationale Verteidigung gegen das Euro-Regime eingetreten war, dann aber zum Rückzug. Es bedürfe unbedingt der Fortsetzung des Plan A, so politisch unrealistisch der auch sei. Er hoffe auf eine Wiederbelegung der alten Sozialdemokratie, wie es unter Corbyn gerade in England stattfinden würde. Den Plan B müsse man in der Hinterhand behalten. Diese Haltung korrespondiert mit seinem verzweifelten Versuch in Italien eine Linke ins Parlament zu führen, die weiterhin an der EU eisern festhält, während Umfragen Mehrheiten für einen Euro-Austritt ausweisen.

 

Den Vogel schoss dann Mélenchon in der Abschlussrede ab. Er degradierte die Teilnehmer aus ganz Europa zu Statisten für die Wahlrede eines Demagogen und Populisten, der sich in Selbstgefälligkeit und leerem Pathos kaum von dem Rest der französischen politischen Klasse unterscheidet. Einzige politische Aussage zum Thema: Neuverhandlung der EU-Verträge. Sonst billiges Geschimpfe auf den Kapitalismus, die Finanzmärkte, die Banken, Draghi, Merkel, Brüssel, das EU-Parlament bla bla bla. Er ließ es nicht aus, mainstreammäßig die Täter von Köln zu verdammen, aber fügte quasi sich absichernd hinzu, dass er “gegen alle Kriminellen” sei, sozusagen auch jene im Nadelstreif. Er attackierte Erdogan und machte Anspielungen, dass der moderate Islamist vielleicht doch ein islamischer Faschist sei – ohne ein Wort der Kritik an der islamophoben französischen Staatsdoktrin. Zum Schluss rief er die spanischen Mandatare von IU und Podemos auf die Bühne, alle blutjung, und überreichte ihnen eine rote Rose als väterlicher Freund – mit der Quasi-Prätention intellektueller Architekt ihres Erfolges zu sein. Die alte „mission civilicatrice“ quillt aus allen Poren.

 

Nun müsst en die Franzosen nur mehr richtig wählen, um das gleiche wie in Spanien und Portugal zu ermöglichen. Denn der Wahlerfolg würde die Koalition mit der PSOE erst möglich machen. Er zielt auf eine Koalition mit der PS hin (unausgesprochen als Juniorpartner und damit als Mehrheitsbeschaffer) und kritisierte die SPD, dass sie nicht Rot-Rot-Grün eingehen würde. Eine völlige Verkennung des herrschenden Regimes. Oder aber eher: er ist selbst Teil dieses Regimes.

 

Ein Plan B, der ernstgenommen werden will und eine echte soziale Alternative sein soll, muss mit Mélenchon und Konsorten brechen. Die Lehren aus Griechenland müssen klar und deutlich gezogen werden und werden wohl demnächst auch in Portugal und Spanien auf die Probe gestellt werden: Vorbereitung auf den Bruch mit dem Euro-Regime!

 

Ein tiefer Graben muss uns von den Linksblinkern des Systems trennen, die es nicht ernst meinen und den verzweifelten politisch-sozialen Protest nur für ihre (unmögliche) Rückkehr an die Macht nutzen wollen (in Wirklichkeit für ihr politisches Überleben). Mit solchen Kräften kann auch nicht den rechten Sozialpopulisten wie der Front National begegnet werden, die für sich – leider nicht ganz unberechtigt – in Anspruch nehmen, die einzige Opposition gegen das Euro-Regime zu sein.

 

Viele der Teilnehmer, vielleicht sogar die Mehrheit, meint, dass man Varoufakis, Mélenchon etc. gegenwärtig brauche, um Kräfte zu sammeln. Tatsächlich sind sie aber ein Hindernis, um zu einer Alternative zu werden. Nicht so sehr im linken Milieu, aber viel mehr in den unteren Schichten. Denn der Zusammenstoß mit der Oligarchie kommt bestimmt (vielleicht schneller als man annehmen würde) und es tut sich bei den Subalternen ein Vakuum auf. Für die Linke als Linke wird es wohl so schnell keine Mehrheiten geben, für eine soziale und demokratische politische Führung des Bruchs kann das aber sehr schnell sehr wohl der Fall sein – in Griechenland gab es dafür eine Zweidrittelmehrheit beim Referendum, die von der „Radikalen Linken“ (so der Namen von Syriza) verraten wurde.

 

Varoufakis und ein Teil von Podemos treiben den Plan B vor sich her und haben für Februar in Madrid scheinbar unilateral eine weitere Konferenz angesetzt, die abermals für die soziale EU, den Plan A-C, eintritt. Auch dort wird man sich der Auseinandersetzung stellen müssen.

 

Konkreter Vorschlag an die gesamte Bewegung ist eine Koalition für einen echten, klaren Plan B zur Beendigung des Euro-Regimes zu bilden, der sehr sich auch gegen den neoliberalen Binnenmarkt und die EU als Exekutor der liberalen Oligarchie richten muss, genauso wie gegen die Nato als deren militärischen Arm.

 

Zu diesem Zweck schlägt die Internationale Koordination gegen den Euro, die aus Gruppen in Griechenland, Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich besteht, ein europäisches Forum vor, das vom 23.-25. September in Italien unter dem Arbeitstitel „Welche Alternativen zum Euro-Regime“ stattfinden soll.

 

Pariser Plan B: ein halber Anfang

von Willi Langthaler

 

Ein unmittelbarer Eindruck am Abend nach der Veranstaltung vom 24.-25. Januar 2016

 

Die Sache war ein wichtiges Ereignis und meine Bilanz ist gespalten, denn die ganze Initiative führt einen unheimlichen Widerspruch in sich, der auch Ausdruck einer Situation des Übergangs ist, wo das neue noch nicht ganz auf eigenen Füßen zu stehen vermag.

 

Die Konferenz hat im Pariser Regierungsviertel stattgefunden, was sicher kein Zufall war – denn es richtete sich stark an die politische Klasse und den Medienapparat. Der Raum war viel zu klein und viele Leute mussten den ersten Redner Oskar Lafontaine in anderen Räumen folgen.

 

Lafontaine hat einen fulminanten Anfang gemacht. Eine politisch kohärente Linie: durchdacht, logisch und klar. Auflösung des Euro, zurück zum alten Währungssystem. Währungspolitik im Dienste der Bevölkerung: staatliche Verschuldung für staatliche Investitionsprogramme um Vollbeschäftigung zu schaffen. Gegen die westlichen Kriege, die die Wanderungsbewegungen schaffen.

 

In einer Diskussion hat Lapavitsas nachgelegt, und nicht nur er, sondern auch andere. Nationale Währungen, Verstaatlichung des Finanzsystems, Kapitalsverkehrskontrollen. Demokratisierung durch Reappropriierung des Staates als Instrument der Volkssouveränität. Bruch mit der postnationalen Idee und der Globalisierung im Kopf. Ich hatte auch den Eindruck, dass viele Teilnehmer das unterstützten. Ich hörte auch von einem anderen Runden Tisch, dass es so ähnlich gewesen wäre.

 

In der anschließenden kurzen Diskussion wies ich auf den Widerspruch zwischen diesem klaren Plan B und dem öffentlichen Erscheinen der Initiative hin, wo die Frage des Bruchs umschifft wird. Ich bin dafür eingetreten ein weiteres Treffen auf der expliziten Basis der Beendigung des Euro-Regimes durchzuführen.

 

Nach der Veranstaltung habe ich Lafontaine kurz angesprochen und auf die Diskrepanz zur Position seiner Partei hingewiesen. Er antwortete: er könne nicht mehr tun, als sich solchen Initiativen zur Verfügung zu stellen. Den Rest müssten die Leute in der Partei machen – wohl wissend, dass diese praktisch nicht möglich ist. Das kam mir vor wie ein Kampf gegen Windmühlen.

 

Danach sprach ich kurz mit Lapavitsas und fragte, wie denn das mit der verwirrten Botschaft Varoufakis’ zusammenginge. Man müsse da klarer werden, denn er selbst habe gesagt, dass sonst diesen Platz die Rechte einnehmen werde. Er meinte nur, das sei ein langer Prozess…

 

Dann sprach Zoi Konstantopoulou – 1,5h. Hat nur die griechische Geschichte erzählt, keinerlei Politik.

 

Am Sonntag eröffnete Fassina. Er sagte zu Moreno Pasquinelli von der italienischen linken Koordination gegen den Euro schon im Vorfeld, dass er enttäuscht sein werde. Fassina sprach klar, kurz und ohne Schnörkel. Es brauche einen Plan A, praktisch eine Aufwärmung des gescheiterten sozialen Europa. Er sagte selber, dass dieser nicht realistisch sei, aber politisch notwendig. Den Plan B müsse man in der Hinterhand behalten. Er schätzte die Situation pessimistisch ein und setzte seine Hoffung auf eine Rückwendung der Sozialdemokratie zu den Interessen der unteren Schichten. Jeremy Corbyn gab er als Beispiel. Das ganze ist ein ganz klarer Rechtsschwenk zum Herbst.

 

Ich interpretiere das als Einfluss der spanischen Ereignisse. Nach der Vergewaltigung Griechenlands war das soziale Europa mausetot. Podemos hat diese Illusion wieder zum Leben erweckt.

 

Die Abschlussrede von Mélenchon war schrecklich. Es ist eine Schande, dass man zum Plan B fährt und dann als Statist für die Wahlrede eines Demagogen und Populisten missbraucht wird, der sich in Selbstgefälligkeit und leerem Pathos kaum von dem Rest der französischen politischen Klasse unterscheidet.

 

Einzige politische Aussage zum Thema: Neuverhandlung der EU-Verträge. Sonst billiges Geschimpfe auf den Kapitalismus, die Finanzmärkte, die Banken, Draghi, Merkel, Brüssel, das EU-Parlament bla bla bla. Er lies nicht aus Köln zu verdammen, aber „gegen alle Kriminelle“. Er attackierte Erdogan und machte Anspielungen, dass der moderate Islamist vielleicht doch ein islamischer Faschist sei. Zum französischen Ausnahmezustand kein Wort — klar, den hat er unterstützt und hat meines Wissens auch nichts gegen dessen Verlängerung einzuwenden – vielleicht seine Form der Rückgewinnung der Souveränität? Zum Schluss rief er die spanischen Mandatare von IU und Podemos auf die Bühne, alle blutjung, und überreichte ihnen eine rote Rose als väterlicher Freund – mit der Quasi-Prätention intellektueller Architekt ihres Erfolges zu sein. Die alte „mission civilicatrice“ quillt aus allen Poren.

 

Nun müssten die Franzosen nur richtig wählen, um das gleiche wie in Spanien und Portugal zu ermöglichen. Denn der Wahlerfolg würde die Koalition mit der PSOE erst möglich machen. Er zielt auf eine Koalition mit der PS hin (unausgesprochen als Juniorpartner und damit als Mehrheitsbeschaffer) und kritisierte die SPD, dass sie nicht Rot-Rot-Grün machen würde. Eine völlige Verkennung des herrschenden Regimes. Oder aber eher: er ist selbst Teil dieses Regimes.

 

Anfangs dachte ich, dass es eine Spaltung zwischen Paris und Varoufakis gäbe. Doch die bezogen sich alle auf seine Madrider Aktion. Ich vermute, dass er diese unilateral angesetzt hat, dass es tatsächlich eine Differenz gibt, aber dass sie keinen Bruch haben wollen und daher das hinnehmen und nachbeten.

 

Scheinbar ist ihr vager Plan: Madrid, Berlin, Rom etc. Andreas Nölke, einer der deutschen Redner und expliziter Gegner des Euro, sagte mir, dass er nicht die leiseste Ahnung hätte, wer das in Berlin organisieren solle.

 

Abschluss: unser Ziel muss es sein in diesem Milieu eine Klärung voranzutreiben und eine klare Plattform des Bruchs mit dem Euro-Regime zu etablieren. Jedenfalls ist ein wichtiger Anfang gemacht, trotz aller Halbheiten und Rückzieger (Varoufakis). Gleichzeitig dürfen wir uns nicht abhalten lassen, nicht warten wie das einige des linken Flügels von Plan B scheinbar machen und mit der Anti-Euro-Regime-Position weitergehen, wie das geplante Forum in Italien vom 23.-25. September.

 

Grußwort oder Gedanken zu dem Treffen des Anti-EU-Forum in Paris

Von Inge Höger, 20.01.2016

 

Die erstmalige Anrufung des EU-Bündnisfalls durch Frankreich für den Kriegseinsatz in Syrien, die harten Auflagen der EU gegenüber Griechenland und die Abschottung gegen Flüchtlinge bestätigen, dass die EU militaristisch, neoliberal und undemokratisch ist. Die deutsche Regierung ist ganz vorne mit dabei, wenn es um Kriegseinsätze zur Durchsetzung geostrategischer Interessen, die Knebelung ganzer Länder wie Griechenland und die Abschottung der EU für Flüchtlinge durch Deals mit der Türkei geht.

 

Gestern noch wurde Bundeskanzlerin Merkel wegen der Unterwerfung der Syriza-Regierung in Griechenland als die Zuchtmeisterin Europas bezeichnet, inzwischen versucht sie sich als Menschenfreundin und Flüchtlingshelferin darzustellen. Dabei wurde ganz nebenbei das Asylrecht in Deutschland massiv beschnitten und die Abschottung der EU-Außengrenzen verstärkt. Trotzdem kommen Flüchtlinge aufgrund der EU-Freihandels- und Kriegspolitik weiterhin in Scharen nach Europa und viele versuchen Deutschland zu erreichen. In der Frage der Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen gelingt es der deutschen Regierung nicht, sich in der EU durchzusetzen. In vielen EU-Ländern profitieren rechtspopulistische und faschistische Parteien und Bewegungen von der Krise der EU.

 

Gleichzeitig schreitet der Ausverkauf Griechenlands voran: die deutsche Fraport übernahm alle lukrativen Flughäfen, ein chinesische Konzern weitere Anteile des Hafens von Piräus. Die Streiks und Demonstrationen gegen Rentenkürzungen und Steuererhöhungen gehen weiter.

 

Die Linke in Europa muss diese Entwicklungen analysieren und gleichzeitig die Krise zum Anlass nehmen, antikapitalistische Perspektiven zur Überwindung der EU zu entwickeln. Wie die deutsche und die europäische Linke sich zur EU positionieren, ist eine entscheidende Frage unserer Zeit. Ein JA zu einem sozialen Europa und ein JA zum Internationalismus erfordern ein klares NEIN zur EU in ihrer gesamten neoliberalen Konzeption. Zu diesem Bruch mit der EU gehört auch die Debatte über Währungssouveränität und einen Austritt aus dem Euro-Regime. Dies sollte aber nie als Allheilmittel, sondern als Teil eines sozialistischen Programms gesehen werden. Es geht darum, die politische und Währungssouveränität wieder in die Hände der Mehrheit der jeweiligen Bevölkerung zu legen und mit Maßnahmen zu verbinden, die darauf zielen, den Kapitalismus zu überwinden.

 

Ausgehend von den Erfahrungen und Lehren der Kapitulation von Syriza, der Ausrufung des EU-Bündnisfalles nach den Anschlägen in Paris, der Abschottungspolitik der EU gegen Flüchtlinge gibt es inzwischen in der deutschen und der europäischen Linken eine Diskussion über den Charakter der EU und einen Plan B oder andere Alternativen. Diese Diskussionen spiegeln sich nicht nur in der Plan-B-Konferenz in Paris, sondern in vielfältigen Diskussionsforen. Andererseits versuchen Varoufakis oder Gysi diese Diskussion wieder in Richtung Rettung der EU als angebliches Friedensprojekt zu lenken mit einem Plan C, der aber eigentlich der alte Plan A ist. Umso dringender ist es, dass die Linke in Europa Alternativen zu dem neoliberalen, undemokratischen und militaristischen Projekt der EU und des Euro entwickelt und sich dabei nicht in die nationalistische Ecke drängen lässt. Wir brauchen ein Projekt für die Souveränität der Völker, für Frieden und soziale Gerechtigkeit gegen die Herrschaft des Imperialismus, ein Projekt zur Überwindung des Kapitalismus.

 

In diesem Sinne sollten wir die Planungen für ein internationales Diskussionsforum im Frühjahr fortsetzen, um eine Alternative für das EU- und Euro-Regime zu entwickeln. Der Austausch und die Entwicklung von Alternativen sind dringend notwendig. Ich hoffe, ihr bzw. wir kommen in Paris Schritte voran.

 

Ich wünsche euch interessante Diskussionen und viel Erfolg.

 

Inge Höger

Die EU-Bürokratie plant die Zukunft des Imperiums: Der „Fünf-Präsidentenbericht“ und sein Inhalt

Wie die Programm-Texte der EU gewöhnlich, ist auch der Fünf-Präsidenten-Bericht eine durchaus nicht angenehme Lektüre. Fünf Präsidenten? Es ist ein Juncker-Bericht, der offenbar auch formell mit Draghi und auch mit Dijsellblom gesprochen und dann höflicher Weise auch Tusk und Schulz kontaktiert hat.

Die Flachheit und die Trivialität des Stils ödet an und macht das Durcharbeiten peinsam. Aber es ist notwendig. Der Bericht steht in der Tradition der Berichte von Werner über Tindemans und Delors, und die sind bekanntlich durchaus “historisch” geworden. Als sie veröffentlicht wurden, hielten sie viele für rhetorische Pflichtübungen. Man ist stets versucht, die Bürokratie und ihre Zähigkeit zu unterschätzen. Das ist umso weniger verzeihlich, als es gerade zu den Charakteristiken der Bürokratie zählt, langfristig zu planen, brauchen sie sich doch im Gegensatz zum Personal der Oberflächenpolitik keiner Wahl stellen. Verantwortlich ist die Bürokratie nur ihren Auftraggebern aus den sozialen und ökonomischen Eliten, der eigentlichen Oligarchie, mit der sie in ihren oberen Rängen verschmilzt. Sie kann sich also den Luxus erlauben, nicht nur langfristig zu denken, sondern dies auch auszusprechen.

Dieser Juncker-Bericht ist vergleichsweise bescheiden. Sein Horizont ist 2025. Aber für diesen kurzen Zeitraum sind die Ziele auch wieder ehrgeizig. Die Absicht ist: Die auf den Höhepunkten der Finanz­krise mit aller Brutalität, aber infolge Zeitmangel nicht allzu intensiven Vorbereitungen durchgezoge­nen Maßnahmen, die politischen Gewinne aus der Krise also, sollen systematisiert, ausgebaut und unumkehrbar gemacht werden.

Das wird auch unweigerlich geschehen, wenn nicht ein wesentlich härterer und radikalerer Widerstand als bisher auftritt.

Was also will Juncker namens der Europäischen Kommission und im Auftrag der Oligarchie?

  1. Fundamentales Ziel ist die volle Durchsetzung eines hart dogmatischen neoliberalen Wirtschafts-Modells. Dessen Durchsetzung und der Prozess der Umstrukturierung dorthin muss von Brüssel-Berlin direct kontrolliert warden. Die Stichworte lauten: “Echte” Wirtschaftsunion in zwei Stufen durch “Konvergenz”, “Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit” und “Förderung der Strukturreformen”.
  2. Die Finanzpolitik muss stärker zentralisiert werden. Stichworte: “Vollendung der Bankenunion”; “Kapitalmarktunion”.
  3. Die nationalen Regierungen müssen im wirtschafts- und sozialpolitischen Feld noch viel starker und konsequenter entmachtet werden. Der Angelpunkt dabei ist die Fiskalpolitik und der Staatshaushalt. Die nationalen Parlamente müssen de facto ihre Budget-Kompetenz abgeben. Stichworte: “verant­wortliche Haushaltspolitik”, “Fiskalunion”, ein “europaweites Schatzamt” (zentrales EU-Finanzminis­terium bzw. ein Eurozonen-Finanzministerium, auf den wichtigen Unterschied kommen wir noch zu sprechen).
  4. Ein Finanzausgleichsfonds, der sich als Krisenbewältigungs-Fonds verkleidet. Um dies auch zu vernebeln, denn hier dürfte es Probleme mit der Hegemonialmacht Deutschland geben, heißt er völlig unverständlich “Funktion zur fiskalischen Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets”. Die Formulierung lässt auf Draghi, einen der “Fünf Präsidenten”, schließen.
  5. Die Regierungen und Parlamente sollen formell auf die Prioritäten und Ziele der Kommission verpflichtet werden. Die stilistische Verkleidung lautet: “demokratische Rechenschaftspflicht und Legitimität”.

Dies soll bis 2017 eher informell vorbereitet werden. Bis dann will man die alte Strategie der Über­dehnung vertraglicher Kompetenzen weiterführen. Der schleichende Putsch wird verlängert. Der Stil, der ebenso wichtig ist wie der Inhalt, spricht hier von “modernisieren”, “abfedern” und “anpassen”. Bis 2025 soll es aber jedenfalls eine Vertragsveränderung geben, Denn man muss dies gegen jede Veränderung und Abweichungen immunisieren. Das geschieht am besten nach bisheriger Erfahrung, wenn man den EuGH heikle Punkte unter dem Deckmantel des Rechts durchsetzen lässt. Wie aller­dings ein neuer Vertrag ohne einen offenen Putsch in mehreren Ländern durchzusetzen ist, wird nicht gesagt.

Hier kommt noch ein wichtiger Punkt ins Spiel, der allerdings mittlerweile keine Sensation mehr ist. Der Bericht spricht im Wesentlichen nur von der Eurozone. Die Rest-EU wird zwar bisweilen erwähnt und eingeladen, sich zu beteiligen. Aber es geht um die Kern-EU im Zuschnitt der Eurozone. Wie in dieser Zwei Kreise-Struktur dann allerdings der engste Kreis, nämlich der ehemalige DM-Block noch behandelt werden soll, ist hier nicht angesprochen und tatsächlich unklar. Denn dass wir davon ausgehen müssen, dass es innerhalb der Eurozone selbst wieder einen privilegierten Kern gibt, scheint mir nach der Griechenland-Affäre keiner weiteren Begründung zu bedürfen.

Juncker geht davon aus, dass die Finanz- und Eurokrise überwunden ist. Das ist einerseits bemerkens­wert angesichts der Entwicklung im Süden – ich denke hier vor allem an Spanien. Auch Frankreich und Finnland könnten bald sehr akute Krisenfälle werden, auf andere Weise. Aber reines Wunsch­denken ist es nicht. Die Troika, in Wirklichkeit die Kommission bzw. Eurogruppe unter dem Kommando der BRD, haben ja gezeigt: Sie sind entschlossen, ihre Vorhaben durchzusetzen. Die Kosten mögen hoch sein, politisch vielleicht auch für sie, jedenfalls für den Moment – was tut’s? In diesem Sinn hat die 180°-Wende des Alexis Tsipras eine Bedeutung, die weit über Griechenland und sogar über die Eurokrise hinaus geht. Doch ist politisch noch immer viel zu tun.

Es wäre viel dazu zu sagen. Sprechen wir einige wichtige Punkte an!

Über das Codewort “Wettbewerbsfähigkeit” habe ich vor wenigen Tagen in einem mail gesprochen. Ich wiederhole: Wir sollten dieses Propaganda-Vokabel nicht wiederholen, welches nur der Durchsetzung des härtest neoliberalen Dogmatismus dient. Das Ziel ist ziemlich klar: Es ist die Prekarisierung für fast Alle, mit Ausnahme der oberen Schichten. Das verbirgt sich hinter der Wendung, man wolle einen einheitlichen EU-Arbeitsmarkt, welcher “Sicherheit und Flexibilisierung kombinieren” würde.

Aber da gibt es noch andere Probleme. Als zweiten Punkt habe ich die “Kapitalmarkt”- und Bankenunion referiert. Da nimmt nun ein Blog aus Arbeit und Wirtschaft (Stockhammer / Reissl vom 14. Jänner) Stellung. Inhaltlich kann man dessen Aussagen nur unterschreiben. Aber der schlechte Witz besteht darin: Diese Politik ist keine Absicht mehr. Sie ist in ihren administrativen Voraussetzungen bereits verwirklicht. Die MIFID II-Richtlinie (und Verord­nung) sind längst erlassen, schon fast seit zwei Jahren. Damit sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, sie in ihr Recht zu übernehmen (bzw.: die Verordnung gilt unmittelbar). In diesen Richtlinien (MIFID I ist ja auch noch zu beachten) ist aber zum größten Teil bereits angeordnet, was hier im Bericht noch als Vorhaben äußerst generell genannt wird. Der entscheidende Schritt ist also schon getan. Die Banken im engeren Sinn werden durch Basel III etwas stärker reguliert. Nach der nächsten Finanzkrise wird ohne Zweifel ein Basel IV wieder dieselbe Versprechung der endgültigen Stabilität bringen. Aber gleichzeitig sorgt die EU dafür, dass sich ein Schattenbanken-Sektor der Regulierung entziehen kann. Die Schattenbanken dürfen Alles, was schon bisher zur Katastrophe geführt hat, und ein bisschen mehr. Sie haben alle Freiheiten zur Spekulation und zum Betrug innerhalb der Legalität.

Die Passagen über die Banken- und Kapitalmarktunion im Juncker-Bericht sind also Ideologisierung post festum. Die realen Schritte sind gesetzt. Jetzt wird die Legitimierung dafür nachgereicht: “erhöhte Finanzmarkt-Stabilität”, “Widerstandsfähigkeit gegen Krisen”, und wie die hohlen Phrasen eben sonst noch tönen. Als Detail unter anderen: Wieder wird eine “Bankenunion” verlangt, und in diesem Kontext eine europäische Einlagensicherung. Das klingt für manche Naivlinge ganz gut. Es läuft im Grund auf die Subventionierung der oberen Mittelschicht in den Peripherie- und Krisenländer hinaus. Während die Unterschichten und die sonstigen Mittelschichten prekarisiert und in ihrer Marginalität homogenisiert werden sollen, muss man die eigene politische Basis schützen, und das ist die obere Mittelschicht.

Ebenso wichtig und interessant sind die Ausführungen zur Fiskalpolitik, zur “Fiskalunion”. Man liest mit Erstaunen, dass der Fiskalpakt seine Ziele “weitgehend verfehlt” habe. Wird da gar ein Scheitern zugegeben? Das wäre inhaltlich ebenso falsch wie auch in der Vorgangs­weise des Berichts. Aber es zeigt eins: Die Bürokratie wird ungeduldig. Sie will sich nicht mehr auf die bisherigen Mittel verlassen, und das wichtigste Vokabel dabei heißt bisher zwischenstaatlich. Sie will ein klares Durchgriffsrecht haben. Wieder einmal lehnt sie sich gegen die bisherige Konstruktion der EU als wesentlich eine neue Ebene auf, die nur die Ziele vorgibt. Sie will einen direkten intervenierenden Apparat haben. Allerdings wagen es “die Präsiden­ten” nicht, dies ganz offen zu sagen. Ein paar Seiten später wird es aber deutlich. Übrigens ist eines der häufigsten Worte des Berichts das Vokabel überwachen.

Noch eine Bemerkung zu den Ambitionen der Bürokratie. Hat sie (bisher) schon nicht das administrative Sagen in diesem Mehrebenen-System, so will sie zumindest den wichtigen Punkt ihrer politischen Richtlinien-Kompetenz betonen: Sie will die einzige Instanz sein, welche Agenda setting betreibt. Zu diesem Zweck will sie das Europäische Semester, also den von ihr gesteuerten Budget-Erstellungsprozess in zwei Phasen teilen. “Bis Ende Feber eines jeden Jahres [hat] eine wirkliche und umfassende Diskussion über die EU und insbesondere das Euro-Währungsgebiet festgelegten Prioritäten für das kommende Jahr” stattzufinden. Erst dann darf im Rahmen des nationalen Budget-Prozesses auch über das nationale Budget debattiert werden.

Das Alles zeigt, dass dieser Juncker-Bericht mehrere Ziele hat. Kaum jemand weiß etwas über MIFID oder MIFID II. Dies ist zwar eine wichtige Politik-Maßnahme, aber doch nur eine unter einer Reihe anderer. Weitere werden folgen. Wenn man sich immer nur auf diese Einzelkritik einlässt, werden Blogs wie jener von Stockhammer / Reissl immer nachhinken, können gar nicht anders. Wir können es nicht oft genug wiederholen, und wir wissen fast resignierend, dass wir mit Windmühlen kämpfen: Das Imperium ist das Problem, nicht eine einzelne seiner Politiken. Konzentriert man sich auf den Einzelschritt, kann man nur nachhinken. Nicht dass die Einzelkritik unnötig oder unwichtig ist. Aber sie ist zu wenig. Das ist ein Hase- und Igel-Spiel. Der Igel, der Apparat wird immer schneller sein. Der Hase, der Widerstand, wird im Einzelbereich immer zu spät ankommen. Den Apparat muss man zerschlagen, so dies überhaupt möglich ist. Eine Einzelmaßnahme zu bekämpfen ist zwar ehrenhaft, auf lange Sicht aber politisch aussichtslos. Das wird übrigens in Kürze auch für CETA und TTIP gelten.

  1. Jänner 2016

Plan-B-Konferenz in Paris

23./24. Januar 2016

von Wilhelm Langthaler

Nach einer Verschiebung durch den Ausnahmezustand, der durch die antidemokratische Regierung Hollande verhängt worden war, findet nun die Plan-B-Konferenz doch statt.

Allerdings ist der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis nicht mehr dabei. Er hat einen Plan C zur Rettung des Euro angekündigt, der aus den Scheitern seiner Regierung keinerlei Schlussfolgerungen zieht. Nach wie vor hält er an der Chimäre der sozial gewendeten EU und sogar des Euro fest. Tatsächlich ist er also wieder beim Plan A.

Es sind nun vier Galionsfiguren, die die Initiative tragen: Oskar Lafontaine, Stefano Fassina, Zoe Konstantopoulou und Jean-Luc Mélenchon, die die Sessionen der Konferenz einleiten oder abschließen werden.

An sich drückt der Begriff „Plan B“ bereits eine Halbheit aus, denn er suggeriert, dass es noch einen „Plan A“ gäbe.

Tatsächlich, die herrschenden Eliten tun so, also ob sie einfach weiter machen würden. Doch zwischen den Zeilen kann man erkennen, dass sie sich sehr wohl überlegen, wie sie aus der Krise herauskommen können, die ihre supranationalen Institutionen tendenziell gefährdet. Zwar führen sie sozioökonomisch ein ultraliberales Crash-Programm durch, das Thatcher und Reagan in den Schatten stellt, doch zerbröseln ihnen die politischen Systeme, auf deren Basis die peripheren Eliten bisher ihr Unwesen trieben (Griechenland, Portugal, Spanien, Italien aber auch Ungarn und Polen in anderer Art und Weise). Und dann kommt da noch England dazu, wo nur mehr die City of London der Banker, Spekulanten und Industriellen an der EU festhalten will. Wieder ist es Schäuble der sein Kerneuropa als „Plan B“ lanciert.

Im Interesse der unteren Schichten in ganz Europa, sowie für Mehrheiten in Süd- und Osteuropa muss es klar ausgesprochen werden: Mit dem Euro-Regime zu gebrochen werden! Das ist der einzig demokratische und soziale Plan den es geben kann.

Wenn Lafontaine und Fassina sich für ein Ende des Euro und die Rückkehr zu politisch gemanagten Wechselkursen aussprechen, dann ist das ein gewaltiger Schritt vorwärts. Das müssen wir unterstützen und alles dafür tun, dass eine ausreichend breite politische Front entsteht, die das durchsetzen kann. Da reichen auch keine vier Leader, sondern dazu braucht es richtiger Organisationen und Mobilisierungen.

Insbesondere sind wir gespannt, was das für die Politik in Deutschland heißt. Denn Gregor Gysi und seine Leute tun alles, um mit Rot-Grün an die Macht zu kommen und den Neoliberalismus inklusive dem Euro zu administrieren. Nicht umsonst hat Gysi richtig gesagt, dass ein Ende des Euros ein massiver Schaden für die deutsche Exportindustrie wäre. Nur dass wir den deutschen Exportpanzer, der Europa überrollt wie einst die Nazi-Panzer, stoppen wollen und er ihn „sozial“ anstreichen will.

Wir wollen aber nicht verhehlen, dass es bei Lafontaine & Co. im besten Fall eine massive Illusion in die EU gibt. Im schlechtesten Fall handelt es sich um einen Rettungsversuch für die Eliten, der vielleicht klüger und vor allem sozialer als jener Schäubles ist, aber von den Profiteuren des Neoliberalismus trotzdem nicht angenommen werden wird.

Denn die EU ist als Instrument zur der Durchsetzung des Neoliberalismus geschaffen worden und der Euro ist seine Krönung. Wer das Euro-Regime im sozialen und demokratischen Interesse der Unter- und Mittelschichten beenden will, der darf und kann nicht über die EU schweigen.

Hier das Programm in englisch: https://www.euro-planb.eu/?page_id=85&lang=en

Und französisch: https://www.euro-planb.eu/?page_id=83&lang=fr

 

 

EU-Wettbewerbsausschüsse zur Verschärfung der Ungleichheit

von Steffen Stierle, Berlin

Blitzinfo: Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit

Seit dem 1. Juli 2015 läuft formal die Umsetzung der ersten Stufe des 5-Präsidenten-Plans zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Ziel dieser Stufe ist es, die gegebenen vertraglichen Grundlagen so effektiv wie möglich zu nutzen, um „die Wettbewerbsfähigkeit und die strukturelle Konvergenz zu fördern, die Finanzunion zu vollenden, eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten und im Euro-Währungsgebiet insgesamt herbeizuführen und beizubehalten sowie die politische Rechenschaftspflicht zu stärken“ (S. 5). Ab 2017 sollen dann weitere Schritte folgen, die Vertragsänderungen erforderlich machen.

Die Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit werden von den Präsidenten im Kapitel zur Wirtschaftsunion vorgeschlagen. Laut dem Bericht „muss viel mehr unternommen werden, um zu gewährleisten, dass alle Mitglieder mit dem gleichen Elan auf die Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit hinarbeiten“ (S. 9). Den Schlussfolgerungen des Europäische Rates vom Dezember 2015 ist zu entnehmen, dass der Einrichtung dieser Räte (neben drei weiteren Vorschlägen der Präsidenten) im WWU-Vertiefungsprozess Priorität eingeräumt wird (Abs. 14).

Worum geht es?

Diskutiert wird der Vorschlag anhand einer Empfehlung der EU-Kommission vom 21. Oktober 2015, die an den Rat gerichtet ist (COM(2015) 601). Demnach soll in jedem Euroland ein unabhängiger Ausschuss gebildet werden, der die Aufgabe hat, Entwicklungen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit und diesbezügliche politische Maßnahmen zu überwachen und zu bewerten sowie politische Empfehlungen herauszuarbeiten. Diese Ausschüsse sollen unabhängig von anderen Behörden sein, mit Experten besetzt werden und über „angemessene Ressourcen“ verfügen. Ihre jährlichen Berichte sollen veröffentlicht werden. Zugrunde liegen soll eine „breite Definition von Wettbewerbsfähigkeit“.

Die EU-Kommission soll mit den nationalen Ausschüssen in stetigem Austausch sein, um dafür Sorge zu tragen, dass die Interessen des Euro-Währungsgebietes und der EU angemessen berücksichtigt werden. Hierzu sind Vor-Ort-Überprüfungen und Konsultationen vorgesehen. Die Kommission soll die Berichte der Ausschüsse zudem in die Analysen einfließen lassen, die dem Europäischen Semester und dem Verfahren gegen makroökonomische Ungleichgewichte zugrunde liegen.

Kritik an den Wettbewerbsausschüssen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert den Vorschlag zurecht als „Angriff auf die Tarifautonomie“. Ausschüsse ohne demokratische Legitimation sollen Einfluss auf die Lohnentwicklung nehmen. Noch dazu sollen sie das nicht anhand einer breiteren Fragestellung danach tun, welches Lohnniveau sozial und ökonomisch sinnvoll ist, sondern daran, welche Lohnentwicklung gut für die Wettbewerbsfähigkeit ist. So gedreht, sind immer die niedrigsten Löhne die besten, denn niedrigere Löhne verbilligen die Produktion und erhöhen so die Wettbewerbsfähigkeit. Dadurch werden stets jene Länder mit der schlechtesten Lohnentwicklung den europäischen Standard definieren. Von den anderen werden entsprechende Reformen zur Korrektur nach unten gefordert. So wird ein permanenter Druck auf die Tarifverhandlungen ausgeübt, der die Arbeitgeberseite begünstigt und Gewerkschaften schwächt.

Spätestens wenn dann in Stufe 2 des Präsidenten-Plans eine Euro-Fiskalkapazität geschaffen wird, aus der öffentliche Investitionen zur Belebung der Wirtschaft finanziert werden, zu der aber nur Zugang hat, wer die Empfehlungen der Wettbewerbsausschüsse umsetzt, wird Lohndumping zu einem Grundprinzip der EU-Politik

Dass eine „breite Definition“ von Wettbewerbsfähigkeit zugrunde gelegt werden soll, lässt darauf schließen, dass eine Abwärtsdynamik nicht nur bei den Löhnen angetrieben werden wird, sondern bspw. auch bei Arbeitnehmerrechten, Unternehmensbesteuerung und öffentlichen Investitionen.

Der zweite wesentliche Kritikpunkt besteht im anti-demokratischen Charakter des Konzeptes. Experten sollen die Arbeit gewählter Volksvertreter überwachen, nicht umgekehrt. Zudem soll der Einfluss der EU-Technokratie auf die Politik der Euroländer erhöht werden: Einerseits sollen die Ausschüsse unabhängig von nationalen Behörden sein, andererseits soll die EU-Kommission u.a. durch Vor-Ort-Überprüfungen dafür sorgen, dass die Ausschüsse die „Interessen des Euro-Währungsgebietes und der EU berücksichtigen“. Es handelt sich also um Gremien, die national wirken, von ihrer Verankerung her aber EU-Interessen vertreten.

Linke Kontroverse

Der keynesianische Ökonom Heiner Flassbeck übt Kritik an der DGB-Position. Ihm zufolge hat die EU-Kommission „klar erkannt, was wir seit Jahren […] predigen: Die Währungsunion kann nicht ohne Lohnkoordination funktionieren.“. Da die Berichte der Ausschüsse von der Kommission aufgegriffen werden sollen, sieht er darin einen richtigen Ansatz auf dem Weg zur Lohnkoordination im Euroraum. Er verweist zudem darauf, dass die Kommission auch Reformen in Ländern fordert, die anhaltend zu hohe Leistungsbilanzüberschüsse aufweisen – also in Deutschland.

Der Handelsblatt-Journalist Norbert Häring fasst das Problem mit Flassbecks Argumentation gut zusammen: „Ein Blick auf die jüngsten Stellungnahmen des EU-Rats zum deutschen Stabilitätsprogramm und zum deutschen Reformprogramm zeigt, dass die Kommission dabei nur neoliberale Lohndrückerei im Sinne hat. […] Deutschland soll das Arbeitsangebot erhöhen und damit direkt über niedrigere Sozialbeiträge und indirekt über Lohnkonkurrenz nach unten die Lohnkosten senken, indem es das Rentenalter erhöht, Sozialbeiträge senkt, kalte Progression reduziert und Arbeitsanreize für Minijobber und Frauen erhöht. Außerdem soll es die Kosten von Dienstleistungen durch Liberalisierung drücken. Das alles ist das genaue Gegenteil von der Intention, die Flassbeck und Spiecker der Kommission unterstellen. Reines Wunschdenken also.“

Härings Kritik an Flassbecks Position wäre noch hinzuzufügen, dass diese rein ökonomisch ist und keine Antworten auf das Problem des anti-demokratischen Charakters des Konzepts gibt.

Wie geht es weiter?

Der 5-Präsidenten-Bericht ordnet die Wettbewerbsausschüsse der ersten Stufe zu, die bis Mitte 2017 abgeschlossen sein soll (S. 20). In der Empfehlung der Kommission vom Oktober 2015 ist vorgesehen, dass die Mitgliedsstaaten die Ausschüsse innerhalb von sechs Monaten nach Annahme der entsprechenden Ratsempfehlung einsetzen. Der Europäische Rat hat den Rat im Dezember 2015 aufgefordert, die Vorschläge „zügig zu prüfen“. Es ist schwer einzuschätzen, ob es zwischen den Regierungen und EU-Institutionen relevante Kontroversen gibt, die den Prozess verzögern oder die Einsetzung der Ausschüsse verhindern könnten. Sollte dies nicht der Fall sind, ist mit einem raschen Prozess zu rechnen, der noch im Laufe des Jahres 2016 (spätestens Anfang/Mitte 2017) abgeschlossen sein wird.

 

Quelle:

Blitzinfo: Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit

Linke Euro-Kritik: Workshop in Frankfurt

Frankfurt/M, Freitag, 29. Januar 2016; 10:30 h – 17:00 h

J.W. Goethe Universität, Campus Westend

PEG Gebäude – Raum G 170 (3. Stock)

 

10:30 Begrüßung, Einführung – Peter Wahl, WEED/Wiss. Beirat Attac

 

10:40 Erfahrungen aus dem Europäische Währungssystem (EWS) 1979-1998 und Schlussfolgerungen für die Zukunft des Währungssystems.

Input: Prof. Martin Höpner, Max PIanck Institut, Köln

 

11:45 EU und die geopolitischen Umbrüche – Großmacht EU als neue Legitimationsgrundlage für die Vertiefung der Integration

Input: Prof. Andreas Nölke, Uni Frankfurt

12:30 Mittagspause

 

13:30 Europapolitische Strategien, Kräfteverhältnisse und Konflikte im herrschenden Block

Input: Prof. John Kannankulam, Uni Marburg

 

14:15 Welche Optionen für Selbstorganisation linker Euro-Kritik gibt es? Zielgruppen,

Themen, Vernetzung, Projekte

Inputs: Fabio de Masi, MEP; Alexis Passadakis, Attac

15:00 Pause

 

15:30 Fortsetzung der Diskussion. Wie weiter?

17:00 Ende

 

Anmeldung erforderlich: peter.wahl@weed-online.org

 

Nach den positiven Erfahrungen mit dem ersten Workshop am 29. Oktober in Köln wird die Diskussion in Frankfurt weitergeführt. Schwerpunkt wird dabei die Frage sein, welche Interventionsmöglichkeiten für linke Euro-Kritik bestehen. Dafür ist der ganze Nachmittag vorgesehen.

 

Wie sehen die Kräfteverhältnisse in Deutschland und in der EU aus? Welche Strategien verfolgen die wichtigsten Akteure (Parteien, Wirtschaft, Zivilgesellschaft etc.). Welche Themen werden dabei im Vordergrund stehen? Welche Prozesse und Konflikte werden die weitere Entwicklung der EU bestimmen? Was sind die Schlüsselfragen linker Euro-Kritik? Welche Optionen für Selbstorganisation linker Euro-Kritik gibt es? Vernetzung, konkrete Projekte.Charakter und zukünftige Arbeitsweise des Gesprächskreises.

 

Das Format von Köln wird beibehalten, d.h. am Anfang jeden Blocks nur kurze, thesenhaft zugespitzte Inputs und dann viel Raum für Diskussion.