"Nein" beim Referendum
Anti-EU-Forum Athen 26.-28. Juni 2015
Sinkende Lohnquote
Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
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Weder Draghi, noch Troika, noch Euro.
Souverän und sozial. statt EURO liberal
 

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Viele Griechen am No-Euro-Forum in Italien

Griechenland ist das ärmste Opfer des Euro-Regime. Es befindet sich in einer Schuldknechtschaft, aus der es auch mit den Anstrengungen des Sisyphos nicht herauskommen kann. Der Unsinn der neoliberalen Rezepte seigt sich nirgendwo klarer als an der sozialen Katastrophe Griechenlands.

Aber was fast noch bitterer ist: Es ist die ehemalige große Hoffnung der europäischen Linken, Tsipras‘ Syriza, die dieses Massaker exekutiert, besser als es die alten Eliten jemals gekonnt hätten. Nicht umsonst ergeht sich die FAZ in Lobeshymnen.

Und das obwohl die Subalternen im Juli 2015 mit überwältigender Mehrheit Oxi (Nein) gesagt hatten. Doch die Linke getraute sich nicht mit der europäischen Oligarchie zu brechen und wählte die Unterordnung.

Es kann nicht verwundern, wenn sich die griechische Linke heute in einer tiefen Depression befindet. Vielleicht auch um sich Anstöße von außen zu holen, ist sie beim europaweiten Treffen der linken Euro-Gegner in Italien mit zahlreichen Strömungen vertreten.

Das ist die Volkseinheit (LAE), die Abspaltung des linken Flügels von Syriza, die für den Bruch gestimmt hat, den Einzug ins Parlament aber knapp verfehlte. Da ist in deren Nähe Costas Lapavitsas, der frühere oppositionelle Abgeordnete von Syriza, der heute für den linken Flügel von Plan B staht und in Thessaloniki ein sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut betreibt. Da sind Vertreter des linken Flügels der Volkseinheit, die aus verschiedenen Strömungen der außerparlamentarischen Bewegung stammen. Und dann ist da die EPAM, mit ihrer von der KKE stammenden Spitzenfigur Kazakis, die eine souveränistische Bewegung jenseits von links und rechts anstrebt:

  • Costas Isichos, Volkseinheit (LAE) und ehemaliger Minister in der Syriza-Regierung
  • Dimitris Kazakis, Volkswirt, Vorsitzender der Vereinten Volksfront EPAM
  • Costas Lapavitsas, Volkswirt, ehemaliger Parlamentarier für Syriza und Gründer des European Network Research Network on Social and Economic Policy
  • Stathis Katsoulas, Volkseinheit (LAE) und Initiative Kommunistische Linke
  • Panagiotis Sotiris, Volkseinheit (LAE) und Initiative Kommunistische Linke
  • Themis Symvoulopoulos, Beschäftigter von ERT (Staatlicher Rundfunk), EPAM
  • Leonidas Chrysanthopoulos, Botschafter i.R. und früherer Generalsekratär der Black Sea Economic Cooperation Organization, EPAM

Address of Lexit network to the No Euro Forum

Dear friends,

We wish you all the best, success and progress for the No Euro International Forum in Chianciano Terme! We think that struggling for social rights and democracy at the time being requires a direct attacking of the neoliberal type of European integration and the single currency regime. In that respect we deem international coordination as a key element of any serious political strategy.

Several people who have joined the Lexit Network are engaged in the coordination and will be in Chinaciano Terme. We´d be happy to show more presence as Lexit Network to allow a wider exchange on political views and strategies. Unfortunately, as a small network with limited capacity, this is not possible for us on September 16th to 18th. We have recognized that our appeal was object of debate in the coordination and are looking towards fruitful exchange in the future.

In solidarity,

Lexit Network

Lexit-Adresse an No-Euro-Forum

Liebe Freundinnen und Freunde,

Wir wünschen alles Gute, viel Erfolg und Fortschritt für das No Euro International Forum in Chianciano Terme! Wir glauben, dass der Kampf für soziale Rechte und Demokratie es erfordern, gleichzeitig auch die neoliberale Art und Weise der europäischen Integration und das Regime der Gemeinsamen Währung anzugreifen. In diesem Sinn halten wir internationale Koordination für ein Schlüsselelement einer jeder ernsthaften politischen Strategie.

Mehrere Leute, die sich am Lexit-Netzwerk beteiligen, sind auch in der No-Euro-Koordination engagiert und werden auch in Chianciano Terme mit dabei sein. Wir würden als Lexit-Netzwerk gerne mehr Präsenz zeigen, um einen breiteren Austausch politischer Ansichten und Strategien zu ermöglichen. Als kleines Netzwerk mit begrenzen Kapazitäten ist uns das für den 16.-18. September unglücklicherweise nicht möglich. Wir haben mitbekommen, dass unser Aufruf Gegenstand von Debatten in der No-Euro-Koordination war und freuen uns auf einen fruchtbaren Austausch in der Zukunft.

Solidarische Grüße

Lexit- Netzwerk

Die EU hat volle Verantwortung für den Bürgerkrieg in der Ukraine

Interview mit Vasilj Volga, Vorsitzender der Union Linker Kräfte, früherer Parlamentarier und Leiter der staatlichen Finanzkommission

von Wilhelm Langthaler

 

Vasilj Volga wird am No Euro Forum in Chianciano Terme, Italien, teilnehmen, das vom 16.-18. September 2016 stattfindet.

 

Was denken Sie nachträglich über das Freihandelsabkommen zwischen der Ukraine und der EU?

Das Abkommen läuft unseren nationalen Wirtschaftsinteressen diametral entgegen. Es wurde von den Kräften, die schließlich den Putsch organisierten, in populistischer Weise verkauft, zum Beispiel mit dem Versprechen der Visafreiheit. Wir müssen den Vertrag umgehend kündigen und unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland und seinem Integrationsraum wiederherstellen, wie es unserem nationalen Interesse entsprechen würde.

Der Volksaufstand im Osten entstand auch gegen dieses ungerechte Vertragswerk. Hätte sich die Rebellion durchgesetzt und wären unser nationales Interesse nicht verraten worden, gäbe es heute keinen Bürgerkrieg. Die Ukraine hätte ihr wirtschaftliches Potential dynamisch als Brücke zwischen Europa und Asien entwickeln können.

 

Was halten Sie von der gegenwärtigen Poroschenko-Regierung?

Diese ist wirklich kriminell und hat alle erdenklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Um ihre Ziele zu erreichen hat Poroschenko und seine Gruppe die fundamentalen staatlichen Institutionen zerstört. Ich könnte zahllose Beispiele dafür bringen, wie sie Rechtsradikalismus unterstützen und fördern.

 

Kann das Minsker Friedensabkommenden Konflikt lösen?

Minsk ist nur eine Möglichkeit Frieden zu schaffen. Wir haben regelmäßigen Kontakt zu unseren Freunden im Donbass, der sich nicht unter der Kontrolle Kiews befindet. Es gibt noch eine Chance die Region zurück in die Ukraine zu bringen, wenn Autonomie und Föderalismus garantiert wird. Aber dafür müsste das Abkommen nach Punkt und Beistrich umgesetzt werden. Wir brauchen eine Amnestie und der Sonderstatus des Donbass muss in der Verfassung festgeschrieben werden. Ein internationales Monitoring muss eingerichtet werden. Alle Provokationen, die nach der Spaltung in Nationen, Sprachen oder Ethnien trachten, müssen unterbunden werden. Die Justiz muss wieder entsprechend der Verfassung funktionieren. Die Massenmedien und ihre Besitzer, die diesen Konflikt geschürt haben, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Nur Schritt für Schritt können wir einen gemein samen Staat wiederaufbauen.

 

Welche Rolle spielte die EU in diesem Konflikt?

Es war gerade die EU, die diese Tragödie über unser Land brachte. Sie schlossen mit Präsident Janukowitsch einen Friedensplan, für den sie garantieren wollten. Dieser sah seinen Rücktriff nach einem halben Jahr vor. Aber schon am nächsten Tag unterstützten Deutschland und Frankreich die ultraradikale Rechte und erkannten ihre Regierung an. Wenn das ausgehandelte Abkommen schlecht gewesen ist, warum haben sie es dann unterschrieben? Wenn es doch gut war, warum haben sie es nicht durchgeführt?

Wenn wir unser Land neu aufbauen und Frieden schaffen wollen, wie können wir Deutschland und Frankreich in ihrer Rolle als Vermittler trauen? In jedem Fall muss die EU die volle Verantwortung für den Konflikt tragen, ganz zu schweigen von den USA.

 

Können Sie Ihr Projekt der Union Linker Kräfte erklären?

Wir wollen eine Allianz der total zersplitterten und zerstreuten Linken sein. Das ukrainische Regime ist dabei auch die letzten Reste des Sozialstaats auszurotten. Alle Kräfte, die für soziale Gerechtigkeit eintreten, werden verfolgt und unterdrückt. Das ist der Sinn des sogenannten Entkommunalisierungsgesetzes mittels dessen auch die Kommunistische Partei verboten wurde. Weder Sozialisten noch Sozialdemokraten sind in der Lage sich zu organisieren. Die Union der Linken Kräfte möchte eine legale Plattform für die Linke bieten, die die verbliebenen sozialen Errungenschaften verteidigt. Zentrale Figuren der KP sowie der SP beteiligen sich, genauso wie die „Zivile Kontrollorganisation“ (Gromadsky Control, eine ehemalige NGO, die zu einer politischen Organisation wurde).

 

Und die Repression gegen Sie als Person?

Meine Möglichkeiten mich politisch auszudrücken sind sehr beschränkt. Als meine Pressekonferenz in Zaporozhe physisch attackiert wurde, haben viele TV-Sender mitgefilmt. Es gibt also genug Beweismaterial. Ich habe mich an den Innenminister, den Präsidenten, den Geheimdienst usw. gewendet, das eine Strafverfolgung eingeleitet wird. In einer privaten Nachricht ließ mich Minister Avakow wissen: Jeder Polizist, der in dieser Sache aktiv werden sollte, wird sofort seinen Posten verlieren. Trotzdem entschied ein Gericht Untersuchungen einzuleiten. Doch darüber lachte Avakow nur und tatsächlich passierte bis jetzt gar nichts. Jede unserer öffentlichen Aktivitäten wird von den Asov-Paramilitärs angegriffen und keine Behörde kann und will uns verteidigen.

 

Wie können Sie unter diesen Bedingungen an einer Beteiligung an den Wahlen denken?

Ich weiß es wirklich nicht. Die Leute sind terrorisiert. Gegen uns wird physische Gewalt angewandt. Meine Frau ist dem Psychoterror via Telefon und Email ausgeliefert. Angesichts dieser Probleme wissen wir nicht, ob wir die Verantwortung für eine Wahlkampagne tragen können.

Eine Linke nach dem Euro ist möglich

Von Stiglitz bis Lafontaine Prominente linke Ökonomen und Politiker rufen nach einem Plan B: Diskussionsabend am Samstag, 8. Oktober 18.30 Uhr, Café Rathaus, Landesgerichtsstraße 5, 1080 Wien.

Lange war es ein Tabu: Jenseits der EU gab es für die Linke nur Nationalismus. Über zwei Jahrzehnte war man also der sozialen Reform der EU verschrieben. Mit dem Euro wurde zwar der Sozialstaat endgültig geopfert und die soziale EU rückte in immer weitere Ferne. Die Linke blieb aber bei ihrer Utopie: man müsse einfach mehr Kräfte sammeln, dann werde es schon gelingen. Dann kam das dramatische Scheitern in Griechenland, des wohl kräftigsten Versuchs die EU von innen zu ändern: Für den Verbleib im Euro musste Syriza alle sozialen Reformversprechen aufgeben. Kurz flammte die Idee eines Plan B auf. Aber es dauerte nicht lange, da war man wieder beim alten Diskurs: Syriza sei gescheitert, weil die Solidarität zu schwach war, um in der EU einen anderen Weg durchzusetzen.

Doch die Situation beginnt sich zu ändern, langsam aber sichtbar. Die Ausweglosigkeit der strukturellen Ungleichgewichte, zu denen der Euro geführt hat, machen die Zukunft des gesamten Projekts EU völlig offen: Brexit, Europas Süden mit ungelösten Verschuldungs- und Bankenkrisen, bevorstehende Regierungskrisen in Spanien und Italien, eine immer stärkere anti-europäische Rechte mit Siegeschancen in Ländern wie Frankreich aber auch Österreich. Vor diesen Entwicklungen bleibt der Linken nichts übrig, also über einen Paradigmenwechsel nachzudenken – spät, aber doch.

So ruft Joseph Stiglitz, Nobelpreis-gekrönte Ikone des Neokeynsianismus, zur Rückabwicklung der Währungsunion auf. In Deutschland formiert sich ein EurExit-Netzwerk linker Ökonomen (wie Heiner Flassbeck) und Politiker (wie Oskar Lafontaine) für Alternativen zur „Fehlkonstruktion Euro”. Und auch in Österreich beginnt die Suche nach Auswegen aus der Sackgasse der Utopie einer sozialen EU, wie eine für November angekündigte Attac-Konferenz vermuten lässt.
Das Personenkomitee EuroExit arbeitet bereits seit über einem Jahr daran, die Diskussion über Alternativen zu fördern. Denn es ist klar: die Krise des Euro und der EU kann viele Optionen öffnen. Nicht nur die Rechte, auch die Eliten denken über Alternativen zum Euro nach. Die soziale und demokratische Option hat jedoch Chancen, aber nur wenn die Linke eine überzeugenden Plan B jenseits des Euro und der EU zu bieten hat.

Aus Anlass von Joseph Stiglitz Warnruf gegen den Euro, der Vorschläge aus einem gesamteuropäischen NoEuro Forum in Italien und auch in inhaltlicher Vorbereitung der Attac-Konferenz „Sackgasse EU. Wie kommen wir da raus?“ im November, lädt das Personenkomitee EuroExit zu einem Diskussionsabend ein, u.a. mit Thomas Zmrzly vom EurExit-Netzwerk aus Deutschland.

Wie die EU Krieg befördert – das ukrainische Beispiel

Zum Programm des Internationalen No-Euro-Forums

 

Die marktgläubigen sozioökonomischen Argumente für das Euro-Regime verliefen zunehmend ihre Glaubwürdigkeit. So zieht sich der Linksliberalismus auf seine letzte Verteidigungslinie zurück: die EU als Friedensprojekt. Man könnte ins Treffen führen, dass die Niederwalzung Afrikas und andere Gebiete der Peripherie durch den Freihandel und die dadurch heraufbeschworenen Konflikte, von der EU für ihren wirtschaftlichen Vorteil in Kauf genommen werden. Aber am Beispiel der Ukraine sieht man das Schüren des Konflikts sogar gegen die Interessen der europäischen Großkonzerne aus geopolitischen Intentionen:

 

Die EU hat auf Biegen und Brechen ein neoliberales Freihandelsabkommen mit der Ukraine in Kraft gesetzt, das das Land von seinem mit Abstand wichtigsten Handelspartner abschnitt, nämlich Russland. Im Zuge der internen Auseinandersetzung über diese Kapitulation gelang es dem ukrainisch-nationalistischen Block die Staatsmacht zu ergreifen. Doch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung des Südostens war nicht bereit unter einem rechten, antirussischen Regime zu leben und probte den Aufstand. Kiew reagierte mit militärischer Gewalt und schlug die Volksrevolte nieder (siehe das Massaker von Odessa am 2.5.2014). Einzig im Donbass, dem alten industriellen Herz der Sowjetunion, gelang es den Aufständischen dank russischer Hilfe sich zu halten.

 

Eine friedliche Lösung liegt auf der Hand und ist sogar im Kern im Minsker Abkommen enthalten: Autonomie für den Donbass. Was der Vertrag nicht vorsieht, ist die Wiederherstellung der demokratischen Rechte für Odessa, Charkow und den ganzen Südosten, der mehrheitlich gegen den ausschließenden ukrainischen Nationalismus steht. Doch Kiew hält sich nicht an das, was es im Gefolge einer vernichtenden militärischen Niederlage unterschieben hat. Die Fortsetzung des aggressiven Kriegskurses ist nur dank der westlichen Unterstützung möglich, die die rechte Regierung nach wie vor genießt.

 

So gießt die EU nicht nur Öl ins Feuer eines internen Konflikts, den sie selbst wesentlich mit ausgelöst hat, sondern verwendet die Ukraine als Instrument gegen Russland – sie wirkt also gegen den Frieden in Europa, der nur mit und nicht gegen Russland gesichert werden kann.

 

Die ukrainische Delegation bei No-Euro-Forum in Chianciano Terme:

 

Alexej Albu

Ehemaliger Abgeordneter zum Regionalparlament Odessa, Koordinator der Organisation Borotba (Kampf) für die Region Odessa, einer der Anführer des Anti-Maidan. Er wurde durch die Kampagne für ein Referendum über die Autonomie Odessas bekannt. Am 2. Mai 2014 befand es sich im Gewerkschaftshaus, das von Nazis abgebrannt wurde. Rund 50 Menschen verloren ihr Leben. Alexey Albu musste in den Donbass fliehen.

 

Vasilj Volga

Früheres Mitglied des nationalen Parlaments und Leiter der staatlichen Kommission für Finanzverwaltung. Er gründete vor kurzem die Union Linker Kräfte. Obwohl er von rechten Kräften bedroht, attackiert und geschlagen wurde, setzt er seinen Kampf für die Interessen der Unter- und Mittelschichten sowie gegen die Privatisierungen fort.

 

Sergey Platovski

Gehört der Odessaer Oppositionsgruppe „Gegen den Strom“ an, die durch die heftige Repression sehr stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist.

 

 

Linke Euro-Gegner treffen sich im September in Italien, dem neuen Krisenzentrum

von Wilhelm Langthaler

Vom 16.-18. September wird in Chianciano Terme bei Siena das „No Euro International Forum“ stattfinden. Es ist bereits das dritte Treffen dieser Art. Es wird von einer europäischen Koalition verschiedener politischer Kräfte abgehalten, die die dringende Beendigung der Einheitswährung fordern und auch nicht die Konsequenz des Bruchs mit dem Binnenmarkt und der EU als ganzer scheuen.

Das vorhergehende Treffen fand in Athen just eine Woche vor dem historischen Referendum statt, das als Mandat für den Bruch mit der Euro-Oligarchie interpretiert hätte werden können. Stattdessen wurde es zur Unterordnung unter das liberalistische Diktat gewendet.

Die Initiative ging von der “International Co-ordination of Leftist and Popular Forces against the Euro” aus, die im August 2014 in Assisi, Italien, gegründet worden war. Deren Kerngruppe setzt sich aus Gruppierungen aus jenen Ländern zusammen, die unter der Zwangsjacke Euro am stärksten leiden, namentlich Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich. Mancherorts nehmen sogar mehrere Bewegungen teil, die bisweilen auch unterschiedliche Milieus überspannen. Einzelne Personen oder Initiativen aus Deutschland, Österreich, Finnland, Portugal, Slowenien, Britannien oder Irland haben sich angeschlossen.

Die soziale Revolte in Griechenland, ihre Konsequenzen auf der Ebene der Wahlen und der Linksregierung sowie ihre anschließende Erdrosselung wurden zu einem entscheidenden Wendepunkt für das Euroexit-Projekt, wenn auch mit unerwarteten Wendungen. Bald nach der griechischen Kapitulation entstand die Plan-B-Initiative. Sie versprach die Lehren aus dem Desaster zu ziehen und eine Alternative zur Herrschaft der Euro-Oligarchie anzubieten. Aber die in Spanien neu aufkeimenden Hoffnungen auf einen zweiten gradualistischen Versuch des linken Drucks auf das Euro-Regime, nahmen dem Plan B die sehr schnell die Luft und führten zum Kollaps, bevor das Projekt überhaupt richtig starten konnte. Letztlich stützte es sich auf die simple Vorstellung, dass Spanien wesentlich größer und mächtiger sei als Griechenland und die soziale EU doch durchsetzen können müsse. Die Lehren aus der griechischen Tragödie waren schnell verblasst. Es war dann auch der glücklose frühere griechische Finanzminister eine seiner berüchtigten 180-Grad-Wendungen durchführte und zu einem europäischen Bundesstaat aufrief. Eigentlich ist die Zentralisierung das Projekt der Euro-Oligarchie, doch er meint auf fantastische Weise eine weiter gestärkte EU-Zentrale nach links zwingen zu können. Der viel bescheidenere ehemalige italienische Vize-Finanzminister Fassina erklärte nach weniger Monaten, dass die ungünstigen Kräfteverhältnisse einen Plan B nicht zuließen. Und für den Führer der französischen Front de Gauche Mélonchon handelte es sich sowieso lediglich um eine Drohgebärde. Der einzige, der der ursprünglichen Idee treu geblieben ist, ist der deutsche Exminister Lafontaine. Doch er ist gleichzeitig Gefangener seiner Partei, die auf Biegen und Brechen in eine linksliberale Koalition in den Fußstapfen Schröder aufgenommen werden will.

In der Zwischenzeit hat der Brexit-Entscheid der britischen Unter- und Mittelklassen all diese schüchternen Überlegungen, die von der Angst, mit der europäistischen linksliberalen Ober- und Mittelschicht zusammenzustoßen, geprägt sind, überholt. Das Referendum war ein Schlag gegen das Herz der neoliberalen Diktatur, die EU selbst. Heute versteht jeder, dass der Plan der Eliten für einen immer engeren Zusammenschluss in Richtung eines supranationalen Parastaates zum zügigen Abbau der verbliebenen demokratischen und sozialen Errungenschaften nicht funktionieren wird.

Podemos’ Wendung zur Mitte und ihre Beinahe-Umarmung der “Kaste”, die sie zuvor so angegriffen hatten, führte zur Enttäuschung ihrer hochtrabenden Wahlhoffnungen. In Portugal erweist sich die von der Linken tolerierte sozialdemokratische Minderheitsregierung als nicht in der Lage die versprochene Dämpfung des Brüsseler und Berliner Crash-Programms zu erwirken. Jeder Mucks gegen das Diktat des Zentrums wird mit dem Terror des wieder auftauchenden Zinsenspreads quittiert. Doch das Epizentrum der Eurokrise hat sich nun nach Italien verlagert. Unterstützt von der EU-Oligarchie wollte Renzi das ins Wanken geratene politische System mittels eines autoritären Präsidentialismus panzern. Darüber wollte er populistisch-plebiszitär abstimmen lassen. Aber mit der anhaltenden Wirtschaftskrise und den drohenden Bankenzusammenbrüchen am Horizont, rückt eine Niederlage immer mehr in den Bereich des Möglichen oder gar des Wahrscheinlichen. Das könnte in der Folge die verfemte 5-Sterne-Bewegung an die Macht bringen. Nach dem Brexit wäre das der nächste schwere Schlag gegen das Euro-Regime mit unabsehbaren Konsequenzen für die gesamte EU.

Eine Folge des Zerfalls der Plan-B-Initiative von oben (von elder statesmen) ist die Formierung der Lexit-Plattform von unten. Sie hat nun die überfälligen Konsequenzen gezogen und fordert klar den Austritt aus der Euro-Zone bzw. dessen Auflösung. Nicht nur Stefano Fassina hat dann doch in einer abermaligen Kehrtwende den Aufruf unterzeichnet, sondern auch zahlreiche Volkswirte, Intellektuelle und Aktivisten, die sich vom Plan B mehr erwartet hatten. Der Portugiese Luis Bernardo, ein Mitgründer des Lexit-Netzwerkes, wird nun am Nein-zum-Euro-Forum in Italien teilnehmen genauso wie Costas Lapavitsas, der ehemaliger Syriza-Abgeordnete, der von Anfang an für den Bruch eintrat, sich dann der Volkseinheit (LAE) anschloss und sich auch an den Plan-B-Debatten beteiligte.

Einige ganze Reihe an Persönlichkeiten und Repräsentanten haben sich für Chianciano angekündigt: Inge Höger, Linke-Abgeordnete von der Antikapitalistischen Linken (AKL); Julio Anguita, historische Figur der Izquierda Unida und der KP Spanien; Manolo Monereo, Podemos-Abgeordneter und einflussreicher Berater sowie Mitgründer der Europäischen Koordination gegen den Euro; aus Frankreich der bekannte Anti-Euro-Autor Jacques Sapir sowie Jacques Nikonoff, ehemaliger Präsident von Attac und heute Präsidentschaftskandidat für die neu gegründete Entglobalisierungspartei Pardem; Yves Rouille, früherer Spitzenfunktionär der Gewerkschaft CGT; Luka Mesec von der Slowenischen Linken; Vasilji Volga von der Union der Linken Kräfte der Ukraine als auch Alexej Albu, populäre Figur in Odessa, der für die Autonomie eintrat und heute im Donbass exiliert ist – nur um einige wenige zu nennen.

Das breiteste Teilnehmerspektrum kommt jedoch aus Italien [Beschreibung der italienischen und spanischen Delegation] und Griechenland. Das zeigt gleichzeitig den massiven Meinungsumschwung nicht nur im Volk, sondern auch unter den Intellektuellen und selbst in der Linken an, die so lange die EU als „Internationalismus“ verteidigt hat. Damit hat sie den Eliten und ihrem ultraliberalen Projekt linke politische Deckung geboten und tut es bis zu einem gewissen Grad noch immer.

Ergebnis des Treffens in Italien, das möglicherweise wie das Athener Forum knapp vor einem politischen Erdbeben stattfinden könnte, sollte eine verbreitere Koalition demokratischer Kräfte gegen das Euro-Regime sein, die sich auf den notwendigen Bruch mit der Oligarchie vorbereiten. Nur so können auch die rechten Kräfte gestoppt werden, die die Welle des wachsenden Unmuts und Protests der Unter- und Mittelklassen zu reiten und in eine reaktionäre Richtung zu lenken versuchen.

 

Weitere Information: www.noeurointernationalforum.com

Der Beitrag wurde ursprünglich auf Englisch auf dem Blog des Lexit-Netzwerks verfasst: http://lexit-network.org/european-forum-of-leftist-euro-exiteers-to-take-place-in-italy-mid-september

European Forum of Leftist Euro exiteers to take place in Italy mid-September

by Wilhelm Langthaler

From 16-18 September the No Euro International Forum is scheduled to take place in Chianciano Terme, Siena province. It is already the third such meeting organised by a European coalition of different political forces advocating the urgent exit from the single currency while not fearing the break with the single market and the European Union altogether as a consequence.

 

The previous meeting took place in Athens just one week prior to the historic resistance referendum which could have been interpreted as a popular mandate for the break with the Euro oligarchy but instead was turned into submission to the liberalist dictate.

 

The initiative had been launched by an “International Leftist Co-ordination against the Euro” founded in Assisi, Italy, in August 2014 by a core group from the countries suffering most from the Euro straitjacket, namely Italy, Greece, Spain and France. In some place even several factions have been participating spanning different political milieus. Forces or personalities from Germany, Austria, Finland, Portugal, Slovenia and Britain have been joining in gradually.

 

The Greek social revolt, its electoral consequences and its ensuing strangulation became a major turning point and push for the Euro exit project though with twists and turns. Soon after the Greek capitulation the Plan B initiative emerged promising to draw the lessons from the defeat and projecting an alternative to the rule of the Euro oligarchy. But the hopes for a second gradualist try, now in much larger and more powerful Spain, soon brought Plan B to collapse before it actually could take shape. The former Greek finance minister-cum-starlet-cum-clown took a u-turned eventually calling for the further radicalisation of the oligarchy’s centralisation project which he fantastically intends to turn leftist. The much humbler Italian ex vice minister Fassina declared plan B impossible and for French Front de Gauche leader Mélenchon the entire endeavour was only meant as an electoral game anyway. The only horse remaining true to his promise has been the German ex minister Lafontaine nevertheless being prisoner of a party longing to prepare itself for a red-red-green government in the footsteps of Schröder.

 

Meanwhile the Brexit vote of the popular classes has started to dismantle not only the Euro but hit the heart of the neo-liberal dictatorship – the EU itself. Everybody is now aware that the elite’s plan for a “ever closer union” of the capitalist classes crushing all remaining democratic and social gains under a supra-national para-state will not work out.

 

The moderate turn of Podemos and its near embrace of the “caste” has let to its electoral defeat. In Portugal the social democratic government tolerated by the left is unable to deliver on its promise to at least mitigate the impact of the Brussels/Berlin destructive programme. As soon as it squeaks to disregard the centre’s dictate, the terror of the spread re-emerges. But the epicentre of the Euro crisis eventually has shifted to Italy. Backed by the oligarchy, Renzi wanted to amour the elite by an authoritarian presidentialism to be voted for in a constitutional referendum. With the collapse of the banking system looming at the horizon a defeat of the elite becomes possible. That in turn could bring the anti-Euro forces led by the five stars movement to power with incalculable consequences on both the Euro regime as well as the EU edifice.

 

One of the results of the decay of the Plan B initiative from above is the formation of the Lexit platform from below which eventually drew the necessary consequences. Not only Fassina signed the call but also numerous scientists, intellectuals and activists who had hoped for more results of Plan B. Luis Bernardo from Portugal and co-founder of the Lexit network will even participate at the No Euro Forum as well as Costas Lapavitsas, the pro-break MP from Syriza who later joined Popular Unity (LAE) and also participated in the Plan B discussions.

 

Many other important personalities and forces are scheduled to speak in Chianciano like Tariq Ali from the British leftist Brexit campaign; Inge Höger MP from the left wing of the German LINKE; Julio Anguita, the historic leader of the Spanish Communist party; Manolo Monereo, MP for Podemos Unidos, influential political consultant for Podemos and United Left as well as co-founder of the European Leftist Co-ordination against the Euro; from France Jacques Sapir, anti-Euro writer and Jacques Nikonoff, former president of Attac; Yves Rouille, former leader of the union CGT; Luca Mesec of the Slovenian United Left; Vasilji Volga, Union of Leftist Forces of Ukraine as well as Alexej Albu, Borotba leader from Odessa exiled in Donbass – to name only a few.

 

The broadest range of participants, however, are coming from Greece and Italy, indicating the powerful tidal change against the Euro regime not only among the popular classes but also within the intellectuals and the political milieus including the radical left which for so long defended the false “internationalism” of the elites providing a leftist cover to the ultra-liberalist project.

 

What could emerge from the Italian meeting ahead of the impending devastating crisis of the Euro regime is a large coalition of democratic forces preparing for the break with the ruling EU elite starting with the Euro exit. This is the only way to stop the rightist forces which try to ride the growing discontent of the popular classes and steer it into a reactionary direction.

 

Further information: www.noeurointernationalforum.com

Written for: http://lexit-network.org

Wo die Kette gesprengt werden kann…

Die spanische und italienische Delegation am internationalen Forum NoEuro von Chianciano

Italien und Spanien stellen aktuell zwei schwache Kettenglieder im krisengeschüttelten Europa dar:

  • Italien, viertgrößten Volkswirtschaft der EU, ist nach mehr als einem Jahrzehnt des wirtschaftlichen Niedergangs durch eine akute Bankenkrise bedroht, während der Regierung Renzi eine schwere politische Niederlage im Verfassungsreferendum droht. Ein Krisen-Mix, der die oppositionelle und Euro-kritische Fünfsternebewegung an die Spitze des Landes hieven könnte.
  • Spanien brüstet sich zwar mit der höchsten BIP-Wachstumsrate der EU, schafft jedoch den von Brüssel aufgezwungenen Budgetsanierungspfad dennoch nicht, trotz anhaltender Austerität. Mit einer Arbeitslosigkeit, die immer noch bei 20 % liegt, hat sich vor diesem Hintergrund mit der Oppositionspartei Podemos ein dritter Pol in der Gesellschaft neben den Sozialdemokraten der PSOE und den Konservativen der PP etabliert. Auch nach den Neuwahlen im Juni macht diese neue politische Konstellation eine Regierungsbildung extrem schwer. Mit den bestehenden Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien und dem Baskenland – letzteres wird im Oktober wählen – ist kein Ende der politischen Instabilität in Sicht.

Die Delegationen aus Italien und Spanien repräsentieren die Breite der oppositionellen Stimmen und Strömungen, die sich aus diesen politisch-ökonomischen Krisen-Konstellationen im Süden Europas gebildet hat.

Italien

In Italien ist die Fünfsternebewegung (M5S) der politische Kristallisationspunkt, ein widersprüchliches und heterogenes Sammelbecken der Unzufriedenen mit der politischen „Kaste“ und dem wirtschaftlichen Niedergang. Mit dem Europaparlamentsabgeordneten Marco Zanni ist die M5S auf dem Forum mit einer linken und klar eurokritischen Stimme vertreten. Aber auch in den traditionellen Linksparteien, die das Thema EU/Euro lange mit dem Argument der Priorität der „sozialen Frage“ abtaten, fordern einige prominente Figuren endlich die Zentralität der europäischen Frage ein, um die Entwicklungen im Land zu begreifen und eine oppositionelle Politik zu formulieren. Etwa Giorgio Cremaschi, ex-Präsident der linken Metallergewerkschaft FIOM, und heute Initiator der Plattform Eurostop. Selbst aus Renzis PD sind einige Persönlichkeiten in Richtung einer neuen eurokritischen Linken abgesprungen, so etwa Alfredo D’Attore, Abgeordneter der „Italienischen Linken“ (Sinistra Italiana), der am Forum von Chianciano sprechen wird. Kennzeichnend für Italien ist aber auch die Vielzahl – zumeist aus der Linken kommender – Intellektueller in und außerhalb der Universitäten, die nicht oder nur lose mit einer politischen Partei/Bewegung assoziierten sind, aber dennoch in der Gesellschaft wahrnehmbare Stimmen gegen das Euro-Regime und seine politischen Stützen in Italien darstellen. Zahlreiche Ökonomen und Sozialwissenschaftler aus diesem Milieu werden am Forum inhaltliche Beiträge bringen. Eine zentrale Rolle in Italiens Anti-EU/Euro Bewegung und wesentlicher Organisator des Forums von Chianciano kommt der Bewegung „Programm 101“ zu: sie entstand jüngst aus der „Linken gegen den Euro“ und stellt einen Vorposten einer, wenn auch erst im Entstehen begriffenen, Sammelbewegung für einen (linken) Austritt aus dem Euro und der EU dar.

Spanien

Seit Podemos in Spanien die politische Bühne betreten hat, ist das Land von einem bipolaren (PSOE, PP) zu einem tripolaren System geworden. Das hat das traditionelle Regime der Eliten entscheidend destabilisiert, wie die aktuellen Schwierigkeiten der Regierungsbildung zeigen, wo selbst ein dritter Wahlgang nicht ganz auszuschließen ist (wenn auch eher unwahrscheinlich).

Bereits 1986 versuchte Izquierda Unida (IU), mit der Spanischen KP im Zentrum, einen dritten Pol links der PSOE zu etablieren. Was Podemos (zuletzt im Wahlbündnis mit IU) heute gelungen ist, blieb der IU jedoch stets verwehrt – sie kam bei den nationalen Wahlen nie über knappe 10 % hinaus. Ihr bestes Ergebnis erzielte IU 1996 mit 10,6 % unter Spitzenkandidat und Gründungsfigur Julio Anguita. Anguita ist auch nach seinem Ausscheiden aus der IU/PCE-Führung (nicht zuletzt wegen deren illusionären Hoffnungen in ein soziale Europa) bis heute eine treibende Kraft im Kampf gegen EU/Euro: mit der Frente Civico regte er 2012 eine neue linke Bewegung gegen das spanisch-europäische Elitenregime an. Anguita wird am internationalen Forum in Italien anwesend sein, gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Frente Civico sowie mit ihr verbündeter Bewegungen und Zeitschriften. Mit dem Parlamentsabgeordneten und langjährigen KP-Theoretiker Manolo Monereo ist ein prominentes Bindeglied zwischen IU/PCE und Podemos in Chianciano dabei. Auch der derzeitige Vorsitzende der KP Spaniens José Luis Centella Gómez wird in Chianciano die Position der KP zur Frage von EU und Euro sowie einer alternativen Perspektive für Spanien darlegen.

Der zweite Pol des Widerstandes und der Instabilität im spanischen Staat ist die nationale Unabhängigkeitsbewegung, wo derzeit Katalonien der Kernpunkt ist. Mit Josep Manel Busqueta nimmt ein Mitglied und ehemaliger Parlamentarier der linken Unabhängigkeitsbewegung CUP an Forum teil. Gerade bei den nationalen Bewegungen, nicht nur auf der iberischen Halbinsel, ist die Beziehung zur EU umstritten: die bürgerlichen Fraktionen träumen meist von einem Europa der Regionen, das jenes der Nationalstaaten ablöst und ihre Ambitionen unterstützt. Die Linke gibt sich dieser Illusion freilich weniger hin, bleibt aber in der EU-Frage dennoch oft eher unklar im Rahmen des „sozialen Europa“-Diskurses. Umso spannender wird es die Stimme eines radikal-linken Pols der Unabhängigkeitsbewegung zu hören.

 

STAAT, STEUERN, ÖKONOMEN UND DEMONDIALISATION

Von Zeit zu Zeit gibt es im ORF neue Moderatoren. Zumindest im Rundfunk hat man dann den Eindruck: Jetzt wird kurzfristig die Verblödungs-Maschinerie unterbrochen – sehr kurz­fristig, denn die älteren Kolleginnen holen den oder die Neue rapid auf ihr Niveau herunter.

So wurde also am 20. August 2016 im „Mittags-Journal“ ein Gespräch mit Karl Aiginger, Leiter des WIFO, der eben in Pension geht, geführt. Der Journalist ließ den Gast ausnahms­weise sprechen, stellte nicht zu hirnverbrannte Fragen, und Aiginger konnte sich produzieren. Dies ist nicht uninteressant. Man müsste die Rolle solcher Institute wie des WIFO einmal ge­nauer ansehen. Interessant wäre auch das IHS, das aus einer sozialdemokratischen Institution von Herrn Felderer zu einer neoliberalen Kampf-Maschine umgewandelt wurde; im Moment sucht es seine neue Rolle. Aber das ist eine Sache für sich, um die es heute nicht geht.

Aiginger kritisierte das österreichische Steuersystem. Es würde die Arbeit zu stark belasten und besteuern. Dann aber richtete er seine Kritik auch gegen den alten sozialdemokratischen Vorschlag einer Wertschöpfungs-Steuer, den der neue Bundeskanzler Kern unlängst wieder aufgegriffen hat. Das würde Investitionen behindern.

In dieser Doppelkritik kommt die Doppelexistenz eines Liberal-Konservativen heraus, der versucht, im Gegensatz zu vielen seiner Fachgenossen, sich ein wenig an der Wirklichkeit im Rahmen des bestehenden Systems zu orientieren. Und die sehr engen Grenzen dieser Reali­täts-Orientierung werden auch deutlich, das Fehlen eines Verständnisses, was Realwirtschaft ist oder sein könnte. Da wird wieder verständlich, warum jüngst in einer öffentlichen Veran­staltung ein Genosse ausrufen konnte: „Ich bin kein Ökonom; ich bin ein Marxist!“

Steuern und Abgaben haben im Rahmen dieses bestehenden Systems vor allem eine Haupt­aufgabe: Sie sollen die materiellen Mittel bereitstellen, um in einem sonst privatwirtschaftlich organisierten System die öffentlichen Aufgaben zu erledigen. Seit aber der Staat sich bemüht, unter dem Druck allgemeiner, wenn auch beschränkter Partizipation mehr zu sein, als nur eine Rauborganisation der Dynastie und der ihr nahe stehenden Gruppen, mehr als eine Kriegsma­schine zwischen den Dynastien, wachsen diese Aufgaben. Schon vor gut eineinhalb Jahrhun­derten hat ein konservativer österreichischer Ökonom vom „Gesetz der wachsenden Staatsausgaben“ gesprochen (Adolph Wagner 1863).

Seither ist dieses „Wagner’sche Gesetz“ eine Konstante in der Entwicklungs-Ökonomie. Es wurde in seiner Geltung auch bestritten, weil man meinte: Es führe schließlich dazu, dass das gesamte Produkt zuerst vom Staat vereinnahmt und dann verausgabt würde. Das ist, wie wir gleich sehen werden, kein besonders gutes und überzeugendes Argument dagegen. Man hat auch darauf hingewiesen: Der Staatsanteil steigt nicht stetig, sondern in großen Sprüngen, vor allem in Kriegs- und Krisenzeiten. Aber das ist erst recht kein Gegen-Argument. Epochen-Wechsel sind stets Zeiten der Krisen.

Aber das ist nicht das Problem. Fragen müssten wir eher: Was hat dieses „Gesetz“, diese Entwicklungstendenz, dieser Mega-Trend, historisch zu bedeuten?

Bevor wir zu dieser Frage kommen, noch ein wesentlicher Hinweis: Ökonomie als eigenstän­diges Denk-System entstand aus dem Versuch, eine Antwort auf die Frage zu finden: Wie soll ein gerechtes Steuersystem aussehen? Das war die Grundfrage, die sich Sir William Petty, Großkorruptionist und genialer Analytiker ab der Mitte des 17. Jahrhunderts, stellte. Daraus entwickelte er schließlich sein Wert-Konzept, das Arbeitswert-Konzept; damit begründete er die Politische Ökonomie. Die Ökonomie als Wissenschaft entstand also aus der Frage nach dem richtigen Steuer-System.

Petty tat allerdings das, was zu seiner Zeit und im Rahmen der individualistischen britischen Tradition unvermeidlich war, was alle seine Nachfolger auch taten, inklusive Marx, und was Ökonomen heute praktisch ohne Ausnahme noch immer tun: Er ging vom einzelnen Produ­zenten, vom Einzelmitglied der Gesellschaft aus. Der methodische Individualismus ist so sehr zur Grundlage nicht nur der Ökonomie, sondern auch der Soziologie geworden, dass sich kaum jemand einen anderen Zugang überhaupt vorstellen kann. Für den Strukturalisten – der Strukturalismus ist, zugegeben, außer Mode gekommen – ist dieser Zugang schlichtweg ver­kehrt, heißt das Pferd beim Schwanz aufzäumen. Denn Gesellschaft spielt sich zwar tatsäch­lich im Bewusstsein des Menschen, in der Kultur ab. Aber wie kommen die Ideen in den Kopf des Menschen? Der Kultur als Steuersystem entspricht die Ökonomie als Produktionssystem, dessen Ergebnisse auf Gesellschafts-Ebene gepoolt sind. Das allerdings hat Marx in aller Deutlichkeit in der so genannten Transformations-Problematik heraus gestellt. Leider hat er sie, aus einer Reihe von Gründen, nicht mehr zur Gänze ausgearbeitet.

Und damit kommen wir zur Steuer und den Abgaben als Finanzierung der öffentlichen Aus­gaben zurück.

Das Produkt einer („Volks-„) Wirtschaft muss als das einheitliche Ergebnis eines abgegrenz­ten Produktions-Apparats gesehen werden. Aber dieses Produkt wird nach unterschiedlichen Mechanismen verteilt. Da die einzelnen Produktionseinheiten in privater Hand sind, sind auch die jeweiligen Teile des Endprodukts zuerst einmal in privater Hand, ob dies sinnvoll ist oder nicht. Der kollektive Akteur, der Staat, zieht einen Teil dieses Produkts ein, um es für allge­meine Zwecke zu verwenden. Dazu entwickelte sich eine Fülle von Mechanismen, die alle ihre historischen Wurzeln haben, kontingent sind und gewöhnlich auf wenig intrinsische Rationalität verweisen können. In ihnen haben sich nicht zuletzt die Interessen ganz spezieller Gruppen zu ganz konkreten Zeitpunkten abgebildet. Warum ist die Bier-Steuer so und die Weinsteuer anders? Warum gibt es einen Steuersatz für die üblichen Monatslöhne und einen anderen für die sogenannten Sonderzahlungen, die doch nichts Anderes sind als verschobene Lohn-Auszahlungen? Usw.

Selbst in einem privatwirtschaftlichen System wäre die Einheits-Steuer das rationalste Ins­trument – „l’impôt unique“ nannte man dies in der Debatte vor zwei-drei Jahrhunderten. Und eine solche Steuer könnte natürlich sinnvoll nur auf die gesamte Wertschöpfung aufsetzen, eine „Wertschöpfungsabgabe“ sein. Daraus wären dann alle öffentlichen Leistungen zu bezahlen, aber auch alle zeitlich verschobenen Auszahlungen des Lebenseinkommens, die Pension z. B.

Das sollte im Grunde nicht so schwer zu begreifen sein. Wieso kommt dann ein Ökonom daher, der für sich in Anspruch nimmt, „volkswirtschaftlich“ zu denken, und stellt sich quer?

Da ist zum Einen das mangelnde Verständnis fast aller Ökonomen für die Wirtschaft als real­wirtschaftliches Phänomen. Es geht den Damen und Herren Ökonomen schlicht nicht in den Kopf: Wirtschaft und Gesellschaft ist ein gesamtheitlich aufgebauter Produktions-Apparat. „wert“ ist nichts als zuerst ein Allokations- und dann ein Verteilungs-Mechanismus.

Aber da steckt noch etwas dahinter. Das Argument lautet stets: Es gibt einen Standort-Wett­bewerb. Wenn wir so was machen, dann wandern die großen, wichtigen Konzerne ab.

In diesem Argument gibt es eine gewisse Realität. Denn genau dazu wurde die EU aufgebaut und wurde die Globalisierung zur dominanten Politik. Die einzelne Wirtschaft – die durchaus noch ihre erkennbaren Grenzen hat und keineswegs ein ununterscheidbarer Teil einer Welt­wirtschaft ist – sollte und wurde auch weitgehend außerstande gesetzt, eine eigenständige Wirtschaftspolitik zu betreiben, die möglicherweise irgend einem Weltkonzern ein paar Anteile seines Profits kostet.

In diesem Sinn stimmen wir voll und ganz mit den französischen Genossen von PARDEM (Parti de la Demondialisation) überein. Wir müssen eine Politik der Deglobalisierung betreiben. Unsere Anti-EU-Haltung ist Teil davon. Wenn wir mit dem PARDEM gewisse Probleme haben, dann betrifft dies ihre altgaulistische Fetischisierung der Nation.

Albert F. Reiterer, 20. August 2016